Häusliche Gewalt

HÄUSLICHE GEWALT IN VENEZUELA

 

„DAS GESETZ EXISTIERT – LASST ES UNS NUTZEN“

 

 

INHALT

ZUSAMMENFASSUNG

Eine Bemerkung zur Terminologie

Liste der Begriffe

Methodik

KAPITEL 1: EINFÜHRUNG

KAPITEL 2: HÄUSLICHE GEWALT ALS MENSCHENRECHTSVERLETZUNG

KAPITEL 3: DIE WAHRHEIT ÜBER DIE GEWALT IN PARTNERSCHAFTEN

Konsequenzen häuslicher Gewalt

Kapitel 4: HÜRDEN, DIE ÜBERWUNDEN WERDEN MÜSSEN

Soziale Hürden

Polizei, Staatsanwälte und Gerichte

Mangel an Frauenhäusern

Unterkunft und Arbeit

KAPITEL 5: DIE HÜRDEN ÜBERWINDEN

Sensibilisieren und sich Vorurteilen stellen

Information und Aufklärung

Sammeln von Informationen

Medizinisches Protokoll

Frauenhäuser

Adäquate Polizeiarbeit

Staatsanwälte und Gerichte

Unterstützung in der Gesellschaft

KAPITEL 6: ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN

KAPITEL 7: AMNESTY INTERNATIONALS EMPFEHLUNGEN AN DIE VENEZOLANISCHEN BEHÖRDEN

ANHANG 1: Übergangsmaßnahmen des Grundgesetzes über das Recht eines gewaltfreien Lebens für Frauen

ANHANG 2: Das Komitee zur Abschaffung der Diskriminierung gegen Frauen

 

 

 

ZUSAMMENFASSUNG

 

Die Namen der Frauen sind zum Schutz der Privatsphäre sowie aus Gründen ihrer Sicherheit nicht angegeben.

 

Gewalt gegen Frauen ist ein weltweites Phänomen. In den meisten Fällen erleben die Frauen diese Gewalt durch die Hand ihrer vertrauten Partner, in ihren Häusern und Familien. Laut UN-Umfragen erlebt weltweit mindestens jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens Gewalt durch einen Partner. Venezuela bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Daten, die von nationalen Frauenorganisationen gesammelt wurden, legen nahe, dass durchschnittlich alle 15 Minuten eine Frau von einem Partner oder einem Ex-Partner misshandelt wird.

 

Die 2007 erfolgte Einführung des Grundgesetzes über das Recht eines gewaltfreien Lebens für Frauen (Ley Orgánica sobre el Derecho de las Mujeres a una Vida Libre de Violencia, im Folgenden kurz als „Ley Orgánica“ bezeichnet) hat den Frauen in Venezuela geholfen, ihre Menschenrechte einzufordern. Dieses Gesetz umfasst viele verschiedene Aspekte und Manifestationen der Gewalt gegen Frauen. Es definiert Gewalt gegen Frauen als eine Verletzung der Menschenrechte und betont die Pflicht des Staates und seiner Vertreter, für deren Verschwinden zu sorgen. Es legt ebenso Methoden zur Vermeidung von Gewalt gegen Frauen und zum Schutz von gefährdeten Frauen dar und weist Strafen für die Verantwortlichen von Gewalt gegen Frauen aus.

 

Das Gesetz von 2007 besitzt das Potential, substanzielle Verbesserungen im Leben der Frauen Venezuelas zu schaffen. Es liegt jedoch am politischen Willen sowie den angemessenen Ressourcen, ob dieses Potential ausgeschöpft wird.

 

Häusliche Gewalt – Eine Menschenrechtsfrage

 

Häusliche Gewalt hat oft verheerende Folgen für Frauen. Manche überleben sie nicht, und viele erleiden lebensgefährliche Verletzungen. Auch die langfristigen gesundheitlichen Konsequenzen, sowohl psychischer als auch physischer Art, können schwerwiegend sein. Die Rückwirkungen auf Familien mit häuslicher Gewalt gegen Frauen können Generationen überdauern und das politische und kulturelle Leben von Gemeinden entstellen. Häusliche Gewalt hat auch ernsthafte ökonomische und soziale Folgen. Einige wie der Verlust von Arbeitstagen und von Lohn sowie die Kosten der Gesundheitsversorgung sind leichter messbar. Dagegen ist der Preis des menschlichen Schmerzes und Leids in vielerlei Hinsicht nicht kalkulierbar.

 

Studien aus allen Teilen der Welt haben gezeigt, dass Gewalt gegen Frauen viel zu selten gemeldet wird. Gleichzeitig sind die weiblichen Opfer häuslicher Gewalt jedoch bereit, sich zu melden, wenn ihnen dazu ein Weg angeboten wird, der für sie zugänglich, sicher und Erfolg versprechend ist. Offizielle Statistiken belegen, dass sich die von Frauen gestellten Anzeigen häuslicher Gewalt in Venezuela in den Monaten nach der Einführung des Gesetzes im März 2007 mehr als verdoppelten.

 

Die meisten der Verantwortlichen für häusliche Gewalt werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Wie bei allen Menschenrechtsfragen ist auch hier die Straflosigkeit ein gewichtiger Faktor, der zum Fortbestand des Missbrauchs von Frauen beiträgt. Um die Gewalt in der Familie zu überwinden, muss zunächst die Ansicht überwunden werden, es handele sich um eine Privatangelegenheit. Dies ist nicht der Fall. Es ist eine Menschenrechtsverletzung. Die Regierungen und ihre Vertreter sind dazu verpflichtet, Verstöße gegen die Menschenrechte zu verhindern und zu ahnden, das Recht der Frauen auf ein Leben ohne Gewalt inbegriffen. Diese Verpflichtung ist in dem Gesetz von 2007 klar festgeschrieben:

 

„Der Staat hat eine unausweichliche Verpflichtung, alle administrativen, legislativen, rechtlichen und anderen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Beachtung des Gesetzes auszuschöpfen, mit dem Ziel, die Menschenrechte der Frauen zu garantieren, die Gewalt ausgesetzt sind.“

Ley Orgánica, Artikel 5

 

Venezuela hat das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau sowie die Interamerikanische Konvention zur Verhinderung, Bestrafung und Auslöschung von Gewalt gegen Frauen ratifiziert.

 

 

Überwindung von Hindernissen

 

Viele der Maßnahmen, die zur Überwindung der Hindernisse für ein Leben der Frauen ohne Gewalt am meisten benötigt werden, sind im Gesetz von 2007 dargestellt worden. Ihre Implementierung würde sofortigen Schutz bringen sowie den Beginn des Weges zur Beendigung des Schmerzes und des Leids markieren, wie er hier und jetzt in den Häusern des Landes erfahren wird.

 

Bewusstsein fördern und Vorurteile anfechten

 

Das Gesetz von 2007 bietet einen wichtigen Rahmen, um eine der am stärksten verwurzelten Fehleinschätzungen zu häuslicher Gewalt anzugreifen – dass sexueller Missbrauch oder Vergewaltigung in der Ehe oder in anderen intimen Beziehungen kein Verbrechen ist. Es enthält eine umfassende Beschreibung dessen, was Vergewaltigung ausmacht, legt fest, dass sexuelle Gewalt durch einen Intimpartner ein Verbrechen ist, und legt Strafen für die Verurteilten fest, die als ernstes Mittel der Abschreckung dienen sollen. Vergewaltigung in der Ehe bleibt Vergewaltigung. Soziale Einstellungen, die darauf abzielen, häusliche Gewalt zu entschuldigen, stillschweigend zu dulden oder als Lappalie abzutun, müssen herausgefordert und geändert werden.

 

Häusliche Gewalt ist eine der heimtückischsten Formen der Gewalt gegen Frauen. In öffentlichen Debatten zu diesem Thema werden die Bedürfnisse der Frauen oft als Gegensatz zu den Bedürfnissen der Familien dargestellt. Der Schutz der Frauen, so die Argumentation, bedeute die Zerstörung der Familie und damit einen zu hohen Preis. So werden auch die Bedürfnisse der Kinder dafür herangezogen, Tatenlosigkeit zu rechtfertigen. Dieses nur zu bekannte Argumentationsmuster wurde von verschiedenen Interviewpartnern Amnesty Internationals benutzt, darunter auch Staatsbeamten.

 

Dagegen deuten alle Beweise darauf hin, dass die Konsequenzen häuslicher Gewalt für Kinder schwer wiegend und weit reichend sind – selbst, wenn die Kinder nicht direkte Ziele häuslicher Gewalt sind. Das Miterleben von Gewalt hat eine negative psychischen Auswirkung auf Kinder. Es gibt zudem überzeugende Beweise, dass häusliche Gewalt sehr häufig eskaliert und andere Familienmitglieder zum Ziel nimmt. Zudem belegen Studien, dass einige misshandelte Kinder selbst zu Tätern häuslicher Gewalt werden und den Teufelskreis in die nächste Generation tragen.

 

Scham sowie die soziale Stigmatisierung sind mächtige Barrieren, die einer Anzeige häuslicher Gewalt entgegenstehen. Verbreitete Einstellungen und Vorurteile zur Rolle der Frauen in Beziehungen und in der Familie sowie zu Natur, Ausmaß und Gründen häuslicher Gewalt entmutigen viele Frauen und lassen sie in ihrer Situation verharren. Gewalt, die verurteilt würde, wenn sie von einem Fremden ausginge, wird merkwürdigerweise als akzeptabel angesehen, wenn sie von einem der Frau bekannten Täter ausgeübt wird.

 

Ohne Ausnahme haben alle der von Amnesty International interviewten Personen – Überlebende von Gewalt in der Familie, Akademiker, Regierungsstellen, Staatsanwälte, Richter, Polizeibeamte und Frauenverbände – ausgesagt, dass Erziehung und die Bewusstmachung des Problems der Schlüssel zur Verhinderung häuslicher Gewalt seien. Diese Erziehung muss frühzeitig sowohl für Jungen als auch für Mädchen erfolgen. Sie sollte mehrfache Wiederholungen zum Thema häusliche Gewalt umfassen und sich auch in der Berufsausbildung sowie in Programmen zur Bewusstmachung der Öffentlichkeit als Ganzem niederschlagen. Viele der Frauen erzählten Amnesty International, wie wichtig die Werbung für die nationale, vertrauliche Notruf-Hotline 0800Mujeres, die vom Nationalen Institut für Frauenangelegenheiten (INAMUJER) betrieben wird, dabei war, ihrer gewalttätigen häuslichen Situation zu entkommen.

 

Sammeln von Informationen

 

Verlässliche statistische Daten sind unbedingt notwendig, um effektive Programme zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zu entwickeln. Das Fehlen solcher Daten ist schon lange als Problem anerkannt worden, sowohl von Regierungen als auch von internationalen Regierungsorganisationen wie den Vereinten Nationen und NGOs. Man hofft darauf, dass einige von den Regierungen für 2007 versprochene Initiativen das Sammeln der Informationen verbessern und eine gründlichere Informationsbasis für die Suche nach Lösungen bieten.

 

Schutzräume für Frauen

 

Frauenhäuser bieten einen unerlässlichen Ort der Sicherheit für Frauen und ihre Kinder, wenn sie zum ersten Mal aus einer gewalttätigen und von Missbrauch geprägten Situation fliehen. Ihre Bedeutung ist im Gesetz von 2007 festgeschrieben, und die Frauen, die mit Amnesty International gesprochen haben, bestätigten die Schlüsselrolle von Notfallunterkünften, die es den Frauen gestatten, ihr Leben erneut aufzubauen.

 

Das Gesetz von 2007 erkennt die Notwendigkeit von Frauenhäusern in allen 23 Staaten Venezuelas an. Dieses lobenswerte Ziel eines Schutzhauses in jedem Staat ist jedoch bei weitem noch nicht erfüllt: Nur zwei staatlich betriebene Frauenhäuser existieren im gesamten Land zur Zeit der Erstellung dieses Berichts. Die dringende Notwendigkeit für weitere Frauenhäuser ist nicht zu leugnen.

Sich eine Zukunft aufbauen

Langfristig sind Frauenhäuser nur ein Teil der Lösung. Wirtschaftliche Sicherheit, Versicherungsschutz bei Krankheit, eine Wohnung und eine Arbeitsstelle bleiben dringende Bedürfnisse trotz der kurzfristigen Ruhepause, die die Frauenhäuser bieten – so lebensnotwendig diese auch sein mag. Mehrere Frauen beschrieben Amnesty International, wie widerwillig sie die Frauenhäuser verließen, da sie nicht wussten, wohin sie gehen sollten – außer in die Opfersituation, aus der sie entflohen waren. Das Gesetz von 2007 sieht eine Unterstützung für missbrauchte Frauen und ihre Familien vor, aber auch hier wird die Umsetzung des Gesetzes nicht seinem Versprechen gerecht.

 

„Der Staat wird Steuervergünstigungen für Firmen, Kooperativen und andere Organisationen schaffen, die die Einstellung, Integration und Rehabilitation von missbrauchten Frauen ins Arbeitsleben und die Produktion fördern.“

 

„Weibliche Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt genießen eine bevorzugte Stellung bei der Inanspruchnahme von Hilfe und Unterstützung, die von öffentlichen, nationalen, staatlichen und kommunalen Behörden angeboten werden.“

Ley Orgánica, Artikel 4, Kapitel 2

Angemessene Politik

 

Die Probleme, denen sich Frauen in Venezuela gegenüber sehen, spiegeln ähnliche Muster wider, die Amnesty International bei seinen Nachforschungen einer breiten Auswahl von Menschenrechtsverletzungen in einer großen Menge von Ländern in verschiedenen Kontexten begegnet sind. Frauen sehen sich oftmals Befragungen gegenüber, die zudringlich, voreingenommen und unangemessen sind und die in einer Atmosphäre stattfinden, die sich weder sicher noch vertrauenserweckend anfühlt, Prozessen, die langsam vorangehen und nicht den dringend benötigten Schutz bieten, Beamten, die keinerlei Ausbildung haben, wie sie mit den Bedürfnissen von Überlebenden angemessen umgehen sollen oder die deren Beschwerden als trivial und außerhalb ihrer Zuständigkeiten abtun.

 

Es ist lebensnotwendig, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um Racheakte oder fortgeführte Gewalt gegen Frauen, die häusliche Gewalt anzeigen, zu verhindern. Zudem ist unerlässlich, den Frauen Vertrauen zu geben, dass sie weder ihr eigenes noch das Leben ihrer Kinder gefährden, wenn sie von häuslicher Gewalt berichten. Das Gesetz von 2007 sieht eine Reihe von Schutzmaßnahmen vor. Die Umsetzung erfordert jedoch Ressourcen, und zwar sowohl in Bezug auf die Prioritätensetzung der Polizei als auch in Bezug auf Weiterbildung. Interviews mit Polizeibeamten, Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt und Vertretern des Rechtswesens legen nahe, dass es bei der Zuweisung von Ressourcen zur Befähigung der Polizisten im Umgang mit Missbrauchsopfern noch viel zu tun gibt.

 

Staatsanwälte und Gerichte

 

Einige der Staatsanwälte, die mit Amnesty International sprachen, arbeiten offensichtlich sehr hart daran, die neue Gesetzgebung zu implementieren. Sie sagten, dass das neue Gesetz den Schutz, den sie Frauen gewähren können, gestärkt hat. Dennoch wird der durch das Gesetz vorgesehene Schutz nur langsam umgesetzt. 2005 gab das Büro des Generalstaatsanwalts bekannt, dass 100 öffentliche Büros von Staatsanwälten eingerichtet werden sollen, die auf geschlechtsspezifische Gewalt spezialisiert sind. Obwohl dieses Versprechen 2007 noch einmal wiederholt wurde, existieren diese Büros bis zum Zeitpunkt dieses Berichts nicht. Gleichzeitig wollte das Oberste Gericht des Landes 24 Spezialgerichte für Fälle mit geschlechtsspezifischer Gewalt einrichten. Auch diese Gerichte existieren bis zum Zeitpunkt dieses Berichts noch nicht.

 

Das Gesetz von 2007 trifft Vorkehrungen für Schulungen von Beamten, die solche Fälle aufnehmen, untersuchen oder darüber urteilen, um sicherzustellen, dass sie in einer angemessenen Art und Weise reagieren. Amnesty International hat jedoch keine Kenntnis von einem Aktionsplan zur Unterrichtung von Staatsanwälten und Richtern über das neue Gesetz. Dabei haben die Frauen, die mit Amnesty International gesprochen haben, sehr deutlich gemacht, dass die Art und Weise, in der ihre Anzeige aufgenommen wurde, ein wichtiger Faktor dafür ist, ob sie sich für einen Prozess gewappnet sehen.

 

Zusammenfassung

 

Amnesty International hat festgestellt, dass großer Willen und harte Arbeit durch Individuen und Fachleute zu signifikanten Verbesserungen im Zugang von missbrauchten venezolanischen Frauen zu ihren grundlegenden Rechten geführt haben. Das Gesetz von 2007 benennt viele der entscheidenden Elemente zur Beendigung von Gewalt gegen Frauen, die in vielen internationalen Standards hervorgehoben werden und in Amnestys 14-Punkte-Programm zur Verhinderung häuslicher Gewalt (Index: ACT 77/01/2006) zusammengefasst wurden. Seine vollständige Umsetzung würde ohne Frage ein Meilenstein zur Beendigung dieser die Gesellschaft durchdringenden Menschenrechtsverletzung sein.

 

Es gibt jedoch noch große Hindernisse, die den Frauen bei der vollständigen Ausübung ihres Rechts auf ein Leben ohne Gewalt im Wege stehen. Immer wieder äußerten Frauen, die mit Amnesty International sprachen, die gleiche Bitte: „Das Gesetz existiert – lasst es uns nutzen.“ Amnesty International ruft die Regierung Venezuelas dazu auf, die nötigen Ressourcen für eine vollständige Implementierung des Gesetzes von 2007 ohne Verzögerung bereitzustellen.

 

Weitere Informationen inklusive der Empfehlungen Amnesty Internationals bezüglich der Abschaffung häuslicher Gewalt an die Regierung Venezuelas sind zu finden in: „Das Gesetz existiert – lasst es uns nutzen“. Die häusliche Gewalt in Venezuela beenden (Index: AMR 53/001/2008).

 

Empfehlungen

 

Amnesty International fordert die Regierung auf

  • häusliche Gewalt zu verurteilen
  • das öffentliche Bewusstsein bezüglich des Problems häuslicher Gewalt zu stärken
  • das Bildungssystem zu nutzen, um Vorurteile abzubauen
  • Gesetze abzuschaffen, die Frauen diskriminieren
  • Anzeigen von häuslicher Gewalt zu untersuchen und diese zu verfolgen
  • Hindernisse auf dem Weg der Strafverfolgung von häuslicher Gewalt zu beseitigen
  • verpflichtende Fortbildungen für Beamte einzuführen, die mit sexueller Gewalt befasst sind
  • die nötigen finanziellen Mittel bereitzustellen
  • Schutzhäuser einzurichten, in die Frauen vor Gewalt flüchten können
  • Unterstützungsangebote für die Frauen bereitzustellen
  • Daten zu häuslicher Gewalt zu sammeln und zu veröffentlichen
  • die Frauen wissen zu lassen, welche Rechte ihnen zustehen

 

 

 

 

Eine Bemerkung zur Terminologie

Amnesty international begründet ihre Arbeit über Gewalt gegen Frauen mit der in der UN –Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen festgeschriebenen Definition. Artikel 2 der Erklärung stellt fest:

 

„Unter Gewalt gegen Frauen sind, ohne darauf beschränkt zu sein, die folgenden Handlungen zu verstehen:

(a) körperliche, sexuelle und psychologische Gewalt in der Familie, einschließlich körperlicher Misshandlungen, des sexuellen Missbrauchs von Mädchen im Haushalt, Gewalttätigkeit im Zusammenhang mit der Mitgift, Vergewaltigung in der Ehe, weibliche Beschneidung und andere für Frauen schädliche traditionelle Praktiken, Gewalt außerhalb der Ehe und Gewalttätigkeit im Zusammenhang mit Ausbeutung;

(b) körperliche sexuelle und psychologische Gewalt im Umfeld der Gemeinschaft, einschließlich Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, sexuelle Belästigung und Einschüchterung am Arbeitsplatz, in Bildungseinrichtungen und anderenorts, Frauenhandel und Zwangsprostitution;

(c) staatliche oder staatlich geduldete körperliche, sexuelle und psychologische Gewalt, gleichviel wo sie vorkommt.“

 

Innerhalb dieses Berichts wird eine Vielzahl von Begriffen verwendet, um Gewalt gegen Frauen vor dem Hintergrund intimer Beziehungen, einschließlich häuslicher Gewalt, Gewalt in der Familie und Gewalt gegen Intimpartner zu beschreiben. Es gibt keinen bestimmten in allen Zusammenhängen akzeptierten Gesamtbegriff, um Handlungen oder Taten einer Person zu beschreiben, die von einer Frau als intim mit ihr verbunden angesehen wird oder wurde – unabhängig von Geschlecht, Familienstand oder Wohnung – und die in Tod, körperlichem, sexuellem oder psychischem Schaden oder Leiden der Frau resultieren. Die Entscheidungen über die Terminologie dieses Berichts wurden durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt, einschließlich der Notwendigkeit, den Bericht so weit wie möglich für unterschiedliche Arten von Publikum zugänglich zu machen.

 

Liste der Begriffe

Casas de la mujer              Zentren, in denen die Rechte der Frauen studiert und gefördert werden und wo Frauen Erfahrungen diskutieren und austauschen können

CICPC                                Cuerpo de Investigaciones Científicas, Penales y Criminalísticas (Wissenschaftliche, Straf- und Kriminaleinheit), Technische Polizei, die Strafermittlungen unter der Generalstaatsanwaltschaftsbehörde durchführt. Sie ersetzte die Gerichtspolizei im Jahr 2001 und ist an das Justiz- und Innenministerium angebunden.

COFAVIC                            Comité de Familiares de las Víctimas de los sucesos ocuridos entre el 27 de febrero y los primeros días de marzo de 1989 (Komitee der Familienangehörigen der Opfer der Vorgänge zwischen dem 27. Februar und Anfang März 1989)

INAMUJER                          Instituto Nacional de la Mujer (Nationales Institut der Frau)

INE                                     Instituto Nacional de Estadísticas (Nationales Statistikinstitut)

LOPNA                                Ley Orgánica para la Protección del Niño y del Adolescente (Grundgesetz zum Schutz von Kindern und Minderjährigen)

Misiones                            eine Reihe von unter der gegenwärtigen Regierung eingerichteten Sozial- und Wohlfahrtsprogrammen

Methodik

Dieser Bericht basiert auf Untersuchungen von Amnesty International (Al), die während zweier Besuche nach Venezuela in den Jahren 2006 und 2007 durchgeführt wurden. AI führte Interviews mit 19 Frauen durch, die Überlebende von Gewalt in der Familie waren; die Namen der Frauen werden nicht genannt, um ihre Privatsphäre zu schützen und sicherzustellen, dass ihre Sicherheit nicht gefährdet ist. Siebzehn der interviewten Frauen waren entweder jetzige oder ehemalige Bewohner der zwei von der Regierung eingerichteten Schutzhäuser. Diese Interviews wurden durch das Nationale Institut der Frau (INAMUJER) ermöglicht. Die Untersuchungen beinhalteten auch Interviews mit Organisationen und Aktivisten, die mit ihrer Arbeit die Rechte der Frauen verteidigen und die Überlebende in verschiedenen Örtlichkeiten in Venezuela unterstützen, mit Repräsentanten von INAMUJER, vom Nationalen Statistikinstitut (INE) und vom Gesundheitsministerium, mit Mitarbeitern der zwei Frauenhäuser und des Büros des Nationalen Ombudsmanns für Menschenrechte, mit Rechtsanwälten, Richtern, Polizeivertretern und Akademikern.

 

Zeugenaussage

 

„Ich dachte, dass, wenn wir unsere Verlobung durch Heirat formalisierten, er sich ändern würde … aber ich irrte mich komplett und ich lernte das über die Jahre. Ich habe auch so lange gebraucht [die Misshandlung anzuzeigen] … zunächst aus kulturellen Gründen, die Art und Weise, wie viele Leute hier in Venezuela erzogen werden. Dass die Ehe für immer ist und dass man keine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit wäscht und zu keinem darüber spricht. So, das ist der erste Grund, und der zweite ist der, dass das Opfer der Gewalt durch seinen Angreifer isoliert wird. Sie isolieren dich von deinen Freunden, von deiner Familie, von jedwedem Kontakt, von dem sie annehmen, du könntest ihm mitteilen, was mit dir passiert …

 

Und endlich der dritte Grund, der nicht weniger bedeutend und für mich der wichtigste ist, dass du vor Angst gelähmt bist. Angst, dass diese Person weiß, dass du reagieren wirst, indem du dich verteidigst, und diese Angst wird immer schlimmer, weil offensichtlich im Laufe der Zeit die Gewalt auch immer schlimmer wird. So kommen alle diese Dinge zusammen und es bedeutet, dass es einigen Personen schwerer fällt zu reagieren und sich selbst zu verteidigen als andere …

 

Was mir wirklich den Mut gegeben hat ihn anzuzeigen war, was einer meiner Söhne gesagt hat, als er mich vom Krankenhaus abholte, in dem ich war. Er sagte zu mir: ‚Mami, wenn du nichts tust, werde ich etwas tun.’

 

Ich sage, dass ich am Leben bin, weil – leider – mein Sohn krank zu Hause war … er war erst 11 Jahre alt. Ich lag ohnmächtig am Boden, und sein Vater fuhr fort mich zu schlagen, da holte er einen Baseballschläger und sagte zu seinem Vater, wenn er nicht aufhören würde mich zu schlagen, würde er ihn mit dem Schläger umlegen. Ich erfuhr das erst später, als man mir im Büro des Staatsanwalts die Aussage meines Sohnes zeigte. Ich wusste nicht, dass das passiert war. Ich sage leider, weil oft uns Frauen, die wir Opfer sind, gar nicht bewusst wird, dass wir nicht die einzigen sind die leiden; die in unserer Familie, die wir besonders lieben, mit anderen Worten unsere Kinder, erleiden auch Gewalt. Deshalb sage ich, dass meine Kinder nicht das hätten erleiden sollen, was sie erlitten haben …

 

… ich fürchtete mich immer noch. Aber wovor ich noch mehr Angst hatte war, dass, wenn mich diese Person tötete, wer würde nach meinen Kindern sehen? Es war diese Angst, die mich antrieb. Wenn es mich nicht gibt, wer kümmert sich um sie – er!

 

Ich wandte mich dann an das Internet, das war das einzige zu dem ich zu Hause Zugang hatte wenn er nicht da war. Dort suchte ich dann nach jemandem, der mir helfen konnte und so kam ich zu Amnesty International … ich rief sie an …

 

Ich traf mich [mit einer Sachverständigen] zwei, drei, vier mal, ich erinnere mich nicht mehr, wie oft, und sie leitete mich mehr oder weniger an … so lernte ich die Formalitäten zur Erstattung einer Anzeige kennen … wie ich mich verteidigen und sowohl mich selbst als auch meine Kinder schützen konnte.

 

Wir – ich sage wir, weil ich mich immer auf die mich in diesem Fall begleitenden Personen beziehe, wie zum Beispiel die Staatsanwältin der staatlichen Anklagebehörde und die Rechtsanwälte, die mir helfen – erreichten durch die Kontrollbehörden sehr strikte präventive Maßnahmen. Er darf sich nicht mir oder meinen Kindern nähern … Heutzutage [unter dem neuen Gesetz] ist das Vorgehen für das Erlassen von Maßnahmen zum Opferschutz viel schneller. Sie können von der ersten Stelle erlassen werden, die deine Anzeige erhält, …

 

Was würde ich zuerst vom Staat fordern? Erstens denke ich, dass sie ausgebildet werden sollten. Alle, nicht bloß die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, sondern die Stellen, bei denen man Beschwerden ausfüllt. Weil ihnen der Fall zugeteilt wird und weil das Opfer bis zu dem Zeitpunkt, wo sie sich darum kümmern, gestorben sein könnte, oder behindert oder invalide gemacht worden ist … oder ein Kind stirbt, während ein Fall behandelt wird. Also, sollte man sie ausbilden, angefangen bei den Polizeibeamten, die die Anzeigen aufnehmen, bis hin zu den staatlichen Strafverfolgern, den aufsichtsführenden Richtern und den Richtern in den Strafverfahren. Was ich meine ist, dass es eine Art gemeinsame Erfahrung zwischen ihnen allen geben soll, indem ihnen allen das neue Gesetz in Schulungen bewusst gemacht wird.

 

Ich glaube an dieses neue Gesetz … es sollte multidisziplinäre Gruppen geben, die allen diesen Opfern helfen, so dass sie, wenn der juristische Teil abgeschlossen ist, auf die eine oder andere Weise Hilfe und Unterstützung haben, Therapie, Wiedereingliederung. Weil, ich wiederhole, wir Opfer von Gewalttätigkeiten isoliert und zahlreich sind … uns nicht in der Lage fühlen, wieder in die Welt hinauszugehen, um zu arbeiten und einen Lebensunterhalt zu verdienen.

 

Des Weiteren würde ich sie um Öffentlichkeitskampagnen bitten, viel Öffentlichkeit, wie man seine Rechte verteidigt … Und sie sollten das neue Gesetz mit Kampagnen bekannt machen, mit Hinweisen, Radiosendungen usw. und nicht sporadisch, sondern andauernd, über längere Zeiträume hinweg.“

Frau A., in einem Interview mit Amnesty International, Venezuela, Juli 2007

KAPITEL 1: EINFÜHRUNG

„… wir brauchen ein größeres Bewusstsein dafür, das diese Fälle existieren, so dass die Menschen, wenn sie jemanden sehen … der diese Gewalt erlebt, die Hand ausstrecken, die Beschwerde akzeptieren, sie ernst nehmen. Denn manchmal fühlen wir uns zurückgestoßen, wir denken, dass, wenn wir mit Beamten sprechen, sie uns die Schuld geben werden, weil wir es uns gefallen ließen, weil wir es hinnahmen. Sie sollten uns nicht als misshandelte Frauen, sondern als menschliche Wesen sehen. Wir haben Rechte, und Menschenrechte sollten eingehalten werden.“

Frau D., in einem Interview mit Amnesty International, Venezuela, Juli 2007

Gewalt gegen Frauen ist ein weltweites Phänomen. Es ist schwerwiegend und seine Konsequenzen sind weitreichend, für die Frauen selbst, für ihre Familie und für ihre Gemeinden.

 

„Ein besonders ernstes Problem, das Frauen in der ganzen Welt bekämpfen, ist die gegen sie ausgeübte Gewalt aus dem einfachen Grund, weil sie Frauen sind. Die geschlechtsspezifische Gewalt ist tief in der patriarchalischen Natur heutiger Gesellschaften verwurzelt, in denen Strukturen der Unterordnung und Diskriminierung von Frauen vorherrschen.“
Präambel zur „Ley Orgánica sobre el Derecho de las Mujeres a una Vida Libre de Violencia (Grundgesetz über das Recht eines gewaltfreien Lebens für Frauen, im Folgenden kurz als „Ley Orgánica bezeichnet)

 

Gewalt in der Familie[1] ist die am häufigsten vorkommende Form der Gewalt gegen Frauen weltweit. Im Durchschnitt erleidet mindestens eine von drei Frauen in ihrem Leben Gewalt durch ihren Intimpartner.[2]

 

Venezuela bildet keine Ausnahme. Im Jahr 2005 meldeten 36.777 Frauen Misshandlungen durch ihren gegenwärtigen oder früheren Partner bei Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) und Casas de la Mujer (Frauenhäusern)[3] – durchschnittlich alle 15 Minuten.

 

Venezuela unternahm einige bedeutende Schritte zur Abschaffung von Gewalt gegen Frauen. Zwei von der gegenwärtigen Regierung eingeführte Gesetze haben insbesondere eine Rolle gespielt, um den Frauen verstärkten Zugang zu ihren Menschenrechten zu verschaffen: das Gesetz über Gewalt gegen Frauen und die Familie von 1999, und die Ley Orgánica[4], die 2007 angenommen wurde und das vorherige Gesetz ersetzt.

 

Das Gesetz von 2007 definiert Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung und bestätigt die Verantwortung des Staates und seiner Vertreter, für deren Verschwinden zu sorgen. Es spezifiziert Maßnahmen zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen, zum Schutz von Frauen in Gefahr und zur Bestrafung der Verantwortlichen.

 

„Die Behörden können sich nicht vergesslich gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zeigen, da es sich um eine der flagrantesten Angriffe gegen die fundamentalen Menschenrechte der Frauen handelt, wie Freiheit, Gleichheit, Recht auf Leben, Sicherheit und Nicht-Diskriminierung, die in unserer Verfassung verankert sind.“

Präambel zur Ley Orgánica

Das Gesetz von 2007 verlangt auch von den Behörden die Umsetzung eines weitreichenden Programms zur Bewusstseinswerdung und zur Veränderung des öffentlichen Verhaltens, das dieses selten angezeigte Verbrechen billigt oder versteckt. Zum Beispiel verlangt es vom Ministerium für Infrastruktur und der Nationalen Kommission für Telekommunikation, dass Programme gesendet werden, die sich der Prävention und der Beendigung von Gewalt gegen Frauen widmen (Artikel 28).

 

„Bevor du sie für’s Leben zeichnest …

Zähle eins, zwei, drei … du, sie, deine Familie.

Bringe das Beste in dir heraus.

Beende die Gewalt[5]

 

Diese starke Kampagne erschien im Fernsehen, Radio, in Sportzeitungen und Magazinen zwischen September und November 2007. Sie wurde von einer Koalition von NGOs, dem Nationalen Institut der Frau (INAMUJER), dem Bevölkerungsfonds der UN und dem Fondo Común (einer privaten Bank) produziert.

 

Früher fragte man: ‚Warum lässt sie es geschehen?’ anstatt: ‚Warum schlägt er sie?’ Jetzt wollen wir die Männer auf unsere Seite ziehen, so dass sie aufhören, Frauen zu schlagen und zu beleidigen.“

Ofelia Álvarez, Generaldirektorin von Fundamujer, einer NGO zur Prävention häuslicher Gewalt.[6]

 

© Cuenta Tres Kampagne

Wie dem auch sei, es gibt eine Kluft zwischen dem, was das Gesetz versprochen hat, und seiner Umsetzung in die Praxis. Dieser Bericht konzentriert sich auf das Gesetz von 2007. Obwohl das Gesetz viele unterschiedliche Aspekte und Darstellungen von Gewalt gegen Frauen beinhaltet, richtet sich dieser Bericht auf den spezifischen Fall von Gewalt gegen Frauen innerhalb der Familie.

 

Viel zu lange wurde Frauen, die häusliche Gewalt erfuhren, das Recht auf Zugang zur Justiz, auf Entschädigungen und auf Bestrafung der Täter verwehrt. Das Gesetz von 2007 enthält große Versprechen, dass diese ererbte Ungerechtigkeit zurückgeschraubt werden kann. Jedoch werden, wie dieser Bericht zeigen wird, Hindernisse gegen seine erfolgreiche Umsetzung verbleiben. Diese Hindernisse beinhalten: Mangel an öffentlichem Bewusstsein, an Information und Erziehung zu diesem Thema sowie inadäquate Datenaufnahme, ungenügende Schutzunterkünfte für die Opfer und mangelnde Ressourcen für die Polizei und die gerichtliche Infrastruktur.

 

Dieser Bericht stützt sich auf Amnesty Internationals Arbeit zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Ländern jeder beliebigen Weltregion weltweit. Dadurch, dass den Stimmen der Überlebenden größeres Gehör verschafft wird, hofft Amnesty International einen Beitrag zu den Initiativen in Venezuela zu leisten, die bereits von der Frauenbewegung, NGOs, Staatsinstitutionen und den Überlebenden selbst zur Beendigung häuslicher Gewalt unternommen wurden.

 

Das Gesetz von 2007 besitzt das Potential, wesentliche Verbesserungen im Leben der Frauen zu schaffen. Das Potential hängt jedoch vom politischen Willen und angemessenen Ressourcen ab. Der Bericht endet mit Empfehlungen an die Behörden über die Maßnahmen, die sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen unter internationalem Recht aufnehmen sollten, und um sicherzustellen, dass die im Gesetz von 2007 versprochenen Schutzmaßnahmen für Frauen und ihre Familien überall in Venezuela verwirklicht werden.

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Zeugenaussage

 

„Der Kontakt, um in das Frauenhaus zu kommen, kam über die Nummer 0800 [Notruf 0800Mujeres] zustande. Jemand vom städtischen Rathaus kontaktierte diese und sie riefen mich dann und fragten, ob sie meine Telefonnummer den Leuten unter 0800 geben dürften, und ich sagte ja. Nach fünf Minuten stand ich mit der Person der 0800Mujeres in Verbindung, und sie begann, mir einige Fragen zu stellen … wie es mir ging, wie es zu dem Streit gekommen sei, ob ich körperlich angegriffen worden sei?

 

Ich begann ihr zu erzählen, was mir passiert war … An dem Tag hatte mein Sohn Geburtstag … wir warteten auf [meinen Mann] wegen eines Familientreffens, aber er erschien nicht. Er kam am nächsten Tag … er war betrunken, stand unter Drogen. Er verfluchte uns und warf uns dann wieder raus …

 

Er warf uns auf die Straße. Er warf nicht nur mich raus, er nahm mir die Kinder und warf uns alle raus, das heißt die Babys und mich …Ich wollte damals mein Zuhause nicht verlassen, weil ich nicht wusste wohin. Sie fragte mich, ob ich mich nicht an ein Mitglied meiner Familie wenden könne, um dort zu übernachten, bis sich die Situation geändert habe. Ich sagte ihr, dass ich das wiederholt während der letzten fünf Jahre getan hatte und dass ich nirgendwo hin könne. Und sowieso, wo auch immer ich hinginge, er würde kommen mich zu holen.

 

Er griff mich nie vor anderen an, aber später beleidigte er uns mit unflätigen Ausdrücken, und das war wie ein ständiger Kreislauf. Ich meine die Flitterwochen, danach dann die aggressive Phase, und dann ging alles wieder von vorn los. Und dann sagte sie mir: ‚OK, beruhige dich ein bisschen und überlege mal, was du von nun an tun möchtest’, und ich sagte ihr, dass ich mein Haus endgültig verlassen wolle. Und sie fragte mich warum? Und ich sagte ihr, weil ich es nicht ertragen könne, weiter mit einem uns anschreienden Drogenabhängigen zusammenzuleben, der uns jeden Tag psychischer Folter unterwarf …

 

Am Anfang meiner zweiten Schwangerschaft … bemerkte ich sein seltsames Verhalten … er begann nachts lange auszubleiben und auf den Straßen zu schlafen, ich kannte mich nicht aus, ich hatte nie jemanden unter dem Einfluss von Drogen gesehen … er wurde paranoid, schloss die Fenster, löschte alle Lichter, verschloss die Türen … ich war im siebten Monat schwanger, als ich ihn [meinen Mann] an einem Ort entdeckte, wo sie Drogen nahmen. Von da an begann er mich anzuschreien, er schubste mich – ich war schwanger – er schubste mich, zerrte an meinen Kleidern, ich trug ein Umstandskleid …

 

… eines Tages kam ich an einen Platz in der Nähe meines Hauses und ich sah jemanden in einem rosa Hemd mit einem blauen Kragen und den Worten INAMUJER … Sie begann mir eine Menge über unsere Rechte zu erzählen, unsere Gesetze und alles. Ich fragte sie, ob ich ihr etwas über ein Problem von mir erzählen könne, und erklärte, dass mein Mann ein Drogenproblem hatte und dass er uns psychisch, verbal und manchmal körperlich misshandelte. Und sie sagte: ‚Ich kann dir sagen, dass du alle Hilfe haben kannst, die es gibt, aber du musst deinen Teil dazu beitragen. Vergiss alles was du gehört haben magst, dass Frauen, die emotionale, psychische und körperliche Schläge ertragen, danach verlangen. Das ist nicht wahr.’

 

… einige Tage später, traf ich sie wieder. Sie gab mir weitere Ratschläge. Sie sagte mir, dass ich Anzeige erstatten müsste. Ich sagte ihr, dass ich schon Anzeigen bei der Kinderschutzbehörde erstattet hatte … weil er mich mit den Kindern rausgeworfen hatte, jedes Mal, wenn er betrunken oder unter dem Einfluss von Drogen war.

 

Sie bestellten ihn zur Präfektur. Der zuständige Präfekt bot Familienberatung an. Er sagte, wir sollten zu Familienberatungszentren gehen, um Hilfe zu erhalten, weil wir ein solides Paar seien aber mit Gewalt zu Hause könnten wir nicht weitermachen, die Dinge würden nur schlimmer werden. [Mein Mann] wollte nicht zur Therapie gehen. Er wollte auch nicht zur Familienberatung gehen. Die einzige nach Hilfe suchende Person war ich. Ich fing an, einen Psychologen der Präfektur zu besuchen …

 

An dem Tag, an dem ich [das Frauenhaus] verließ, war ich noch nicht bereit dafür. Ich hatte Angst davor, dass ich mein Leben nun alleine mit meinen Kindern angehen musste … ich brauchte eine Woche, um mich daran zu gewöhnen, dass ich wieder draußen und auf mich alleine gestellt war. Daran zu gewöhnen, alleine einkaufen zu gehen, zu entscheiden, was ich will, und diese ganzen Sachen. Aber es ist sehr gut, alleine noch mal anzufangen … Dieses ist der Anfang des Rests unseres Lebens …

 

Ich bin Kosmetikerin und Friseuse. Bei dem, was ich nun bin, baue ich mir eine Liste neuer Kunden auf. Und der Vater meiner Kinder … er hat sich verändert … ich denke, er muss verstanden haben, wie viel ich gelitten habe. Er spürt, dass wir mehr seine Familie sind als zuvor.

 

Die gleiche Person, die für mich die Aufnahme ins Frauenhaus organisiert hatte, erzählte mir später am Telefon, dass sie ihn zu einem Treffen mit einem Psychologen begleitet hatte, um ihn zu unterstützen und als Freundin …

 

… Informationen sollten weiter verbreitet sein, es sollte Gesprächsrunden und Workshops in den Colleges und weiterführenden Schulen geben. Und den Leuten sollte von der Notrufnummer 0800Mujeres erzählt werden, dass es sie wirklich gibt, dass Frauenhäuser kein Produkt der Einbildung sind, genauso wenig wie das Gesetz über die Gewalt gegen Frauen, mit anderen Worten, sie sollten die Leute informieren … Es sollte mehr Werbung zu dem Gesetz geben, zu der Nummer 0800, so dass sie Hilfe erhalten können, dass sie da ist, an der Straßenecke und dass es funktioniert, denn es funktioniert wirklich.“

Frau B., in einem Interview mit Amnesty International, Venezuela, Juli 2007

 

 

KAPITEL 2: HÄUSLICHE GEWALT ALS MENSCHENRECHTSVER­LETZUNG

Häusliche Gewalt, in der Familie, in der Partnerschaft ist eine Beleidigung einiger unserer zutiefst empfundenen Überzeugungen und Bestrebungen. Die Gründe, warum diese Gewalt oft verborgen wird und eine Quelle von Schuldgefühlen für die Opfer ist, sind komplex. Aber was auch immer die Gründe für die gesellschaftliche Zurückhaltung sind, die Realität der häuslichen Gewalt zu akzeptieren, das Resultat ist ein soziales Klima, in dem sie oft toleriert oder darüber hinweggegangen oder sie entschuldigt wird.

 

„Frauen und Kinder sind oft in großer Gefahr dort, wo sie am sichersten sein sollten: in der Familie. Für viele ist ‚zu Hause’ das, wo sie einer Herrschaft von Schrecken und Gewalt durch jemand Nahestehenden gegenüberstehen – jemanden, dem sie trauen können sollten. Diese Opfer leiden körperlich und seelisch. Sie sind unfähig, selbst Entscheidungen zu treffen, ihre Meinung auszudrücken oder sich und ihre Kinder vor weiteren Übergriffen zu schützen. Ihre Menschenrechte werden ihnen verwehrt, und durch die allgegenwärtige Gewaltandrohung wird ihnen ihr Leben gestohlen.“

Häusliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen, UNICEF, Innocenti Digest, Juni 2000

Häusliche Gewalt ist insofern untypisch als, im Gegensatz zu den meisten anderen Formen von Gewalt, die Mehrzahl der Opfer Frauen sind. Zum Beispiel waren nach Statistikangaben des Home Office [britische Immigrations- und Asylbehörde] die meisten Opfer häuslicher Gewalt in Großbritannien (United Kingdom) in den Jahren 2006/2007 Frauen (77 Prozent); die meisten Opfer fremder Gewalt waren Männer (76 Prozent).[7] Daten über die, die vier oder mehr Fälle häuslicher Gewalt erfuhren, waren noch überraschender – 89 Prozent waren Frauen.[8]

 

Gemäß dem Ergebnis einer Umfrage durch die Pan American Health Organization im November 2006 war circa eine von drei Frauen in Lateinamerika und der Karibik Opfer sexueller, körperlicher oder psychischer Gewalt durch ihren Intimpartner. Studien zeigen, dass zum Beispiel in Bolivien 53 Prozent der Frauen körperliche Gewalt erfahren haben und 12 Prozent waren Opfer sexueller Gewalt. Aus anderen Ländern werden ähnliche Zahlen genannt:

 

  • Peru (2004): 42 Prozent körperliche Gewalt, 10 Prozent sexuelle Gewalt
  • Kolumbien (2005): 39 Prozent körperliche Gewalt, 12 Prozent sexuelle Gewalt
  • Ecuador (2004): 31 Prozent körperliche Gewalt, 12 Prozent sexuelle Gewalt
  • Haiti (2000): 29 Prozent körperliche Gewalt, 17 Prozent sexuelle Gewalt.[9]

 

Häusliche Gewalt hat oft zerstörerische Konsequenzen für Frauen. Zum Beispiel in Kolumbien wird alle sechs Tage eine Frau von ihrem Partner oder Expartner getötet.[10] Es gibt wenige Daten über die tödlichen Folgen von Gewalt gegen Frauen, wie etwa den Anteil an Müttersterblichkeit und Tod durch AIDS, der direkt den verschiedenen Formen von Gewalt gegen Frauen zugerechnet werden kann. Einige wenige Studien von Gesundheitszentren weisen auf einen Zusammenhang zwischen der Gewalt durch einen Partner und Tod während der Schwangerschaft hin. Zum Beispiel fand eine Studie in 400 Dörfern und sieben Kliniken im ländlichen Westindien heraus, dass 16 Prozent aller Tode während der Schwangerschaft das Resultat von Gewalt durch den Partner waren.[11] Ein ähnlicher Trend erwies sich für Bangladesh.[12] Eine nicaraguanische Studie ergab, dass Kinder von körperlich von ihrem Partner misshandelten Frauen eine sechs Mal größere Wahrscheinlichkeit hatten, vor Erreichen des Alters von fünf Jahren zu sterben.[13]

 

Die längerfristigen Gesundheitsfolgen, körperlich und psychisch, können sich auch hinderlich und ernsthaft zerstörerisch auf die Fähigkeiten von Frauen auswirken, eine ganze Reihe von Menschenrechten in Anspruch zu nehmen, einschließlich ihres Rechts auf Teilnahme am öffentlichen Leben.

 

Die Auswirkungen von Gewalt gegen Frauen auf die Familien können über Generationen reichen und das politische und kulturelle Leben der Gemeinschaft entstellen. Die Kosten an menschlichen Schmerzen und Leiden sind in mehrfacher Hinsicht nicht abzuschätzen. Aber häusliche Gewalt hat auch schwere ökonomische und soziale Folgen. Davon sind einige leichter messbar: Verlust von Arbeitstagen und Lohn sowie die Kosten für Gesundheitsmaßnahmen. Längerfristig können die Kosten durchaus größer sein. Wenn Frauen unfähig sind, eine aktive Rolle in ihrer Gemeinde zu führen, wird ihre Energie und Kreativität der Gesellschaft als Ganzes versagt. Das ist ein unkalkulierbarer Verlust.

 

Amnesty International hat Gewalt in der Familie in vielen Ländern der Erde untersucht und darüber berichtet.[14] Amnesty International glaubt daran, dass alle menschlichen Wesen das Recht auf die volle Ausübung ihrer Menschenrechte haben. Das Geschlecht einer Person oder ihr Familienstand oder die Art ihrer Beziehung ändern nichts an ihrem Anrecht, dass ihre oder seine Rechte respektiert, geschützt und erfüllt werden.

 

Venezuela hat das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ratifiziert, die Diskriminierung gegen Frauen in allen Formen verurteilt und mit der die Staaten „übereinstimmen, mit allen ihnen möglichen Mitteln und ohne zu zögern eine Politik zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen zu verfolgen“ (Artikel 2).

Venezuela hat auch die Interamerikanische Konvention zur Verhinderung, Bestrafung und Auslöschung von Gewalt gegen Frauen ratifiziert, (Konvention von Belém do Pará). Diese stellt fest, dass jede Frau das Recht auf Freiheit von Gewalt hat, im öffentlichen und privaten Bereich (Artikel 3). Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich, dieser Gewalt vorzubeugen, sie zu bestrafen und auszurotten (Artikel 7).

 

Das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, auf Freiheit der Bewegung und Meinungs­äußerung, auf die Freiheit von Diskriminierung, die Rechte auf den höchst erreichbaren Standard körperlicher und geistiger Gesundheit, das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Teilnahme am öffentlichen Leben – alles sind Menschenrechte, die Tag für Tag denjenigen Frauen verweigert werden, die unter dem Schatten der Gewalt in der Familie leben. Es sind auch Rechte, zu deren Verteidigung und Förderung sich Regierungen durch eine Reihe internationaler Verträge verpflichtet haben. Das Gesetz von 2007 stellt klar die Verpflichtung der venezolanischen Behörden fest, diese Rechte zu garantieren.

 

Der Staat hat eine unausweichliche Verpflichtung, alle administrativen, legislativen, rechtlichen und anderen zur Durchsetzung dieses Gesetzes nötigen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, mit dem Ziel, die Menschenrechte der Frauen zu garantieren, die Gewalt ausgesetzt sind.

Ley Orgánica, Artikel 5

 

Internationales Recht verpflichtet die Regierungen, ihre Macht einzusetzen, um die Menschenrechte zu respektieren, zu schützen und umzusetzen.[15] Dies beinhaltet nicht nur, dass deren eigene Beamte die Menschenrechtsstandards einhalten, sondern auch die erforderliche Sorgfaltspflicht, sich mit von Privatpersonen begangenen Misshandlungen zu befassen.

 

Das Konzept der Sorgfaltspflicht beschreibt den Grad der Bemühungen, die ein Staat an den Tag legen muss, um Rechte in die Praxis umzusetzen. Die Staaten sind verpflichtet, die nach internationaler Menschenrechtsgesetzgebung anerkannten Rechte in der Praxis zu verwirklichen. Zusätzlich muss der Staat, wenn ein Recht verletzt wurde, das Recht des Opfers so weit wie möglich wiederherstellen und adäquate Entschädigung zur Verfügung stellen. Dieses beinhaltet Ermittlungen und die Bestrafung der für diese Übertretungen der Gesetze Verantwortlichen, einschließlich – wo rechtserheblich – von Staatsbeamten. Die Norm der Sorgfaltspflicht wird angewandt, um abschätzen zu können, ob Staaten diese Verpflichtungen erfüllt haben.

 

Wenn Staaten von Menschenrechtsverletzungen Kenntnis haben – oder haben sollten – und keine angemessenen Schritte zu ihrer Verhinderung unternehmen, tragen sie dafür – ebenso wie die Täter – Verantwortung. Das Prinzip der Sorgfaltspflicht beinhaltet Verpflichtungen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen, zur Untersuchung und Bestrafung, wenn sie geschehen, und die Bereitstellung von Entschädigungs- und Unterstützungs­leistungen für die Opfer.[16]

 

Es ist wichtig zu betonen, dass die staatliche Sorgfaltspflicht in keiner Weise die strafrechtliche Verantwortung derer vermindert, die Gewalttaten begehen. Der Staat trägt jedoch auch Mitverantwortung, wenn er bei der Verhinderung der angemessenen Untersuchung und Verfolgung eines Verbrechens versagt. Wenn er außerdem mangelnde Sorgfalt bei der Behandlung einer Gewalttat gegen Frauen zeigt – bei der Anwendung der Strafgerichtsbarkeit und bei Entschädigungen – wird häufig noch das Recht der Frauen auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© Eduardo Fuenmayor/PNUD/2008

 

Eine Frauengruppe unterstützt im Jahr 2007 die Kampagne „Cuenta tres“. Die Kampagne resultierte aus der Zusammenarbeit zwischen Institutionen der UNO, dem privaten Sektor, INAMUJER und verschiedenen Organisationen der Zivilgesellschaft.

 

Häusliche Gewalt ist in Venezuela ein ernsthaftes Problem. In der ersten Jahreshälfte von 2007 wurden 490 Untersuchungen aufgrund von Berichten von Gewalt gegen Frauen aufgenommen, wie aus Statistiken der Abteilung für Forschung und Schutz im Bereich Kinder, Jugend, Frauen und Familie der Einheit für wissenschaftliche, strafrechtliche und kriminalistische Untersuchungen CICPC (Cuerpo de Investigaciones Científicas, Penales y Criminalísticas) hervorgeht.[17]

 

Drei Beispiele sollen genügen: Alle 10 Tage stirbt eine Frau in Caracas durch geschlechtsspezifische Gewalt. Die CICPC berichtet von circa 3.000 Fällen sexueller Gewalt im Jahr, eine Zahl, die nur einen kleinen Teil der Realität wiedergibt, wenn man bedenkt, dass nur 10% der Fälle angezeigt werden.

Präambel zur Ley Orgánica

Studien aus allen Teilen der Welt haben gezeigt, dass über Gewalt gegen Frauen sehr wenig berichtet wird. Lokale NGOs in Venezuela haben geschätzt, dass nur einer von 9 Fällen gemeldet wird.[18] Jedoch zeigen Studien auch, dass Frauen zur Berichterstattung kommen, wenn ihnen ein Weg gezeigt wird, der erreichbar und sicher und aussichtsreich ist. Statistiken der CICPC zeigen, dass in den auf den März 2007 folgenden Monaten, als das Gesetz in Kraft trat, mehr als doppelt so viele Frauen Fälle von Gewaltanwendung anzeigten.[19]

 

Die Tatsache, dass die Anzahl der angezeigten Fälle gerade einmal die Spitze des Eisbergs ist, macht die verfügbaren Statistiken noch erschreckender. Informationen von INAMUJER, die sich auf die Zeit zwischen Januar und Dezember 2007 beziehen, besagen, dass „bei Frauen, die irgendeine Art von Gewalt erlitten, in der Mehrheit der Fälle die Gewalt vom gegenwärtigen Mann oder Partner (31,95% beziehungsweise 36,57%) und in einem geringeren Maße durch Ex-Partner oder andere Familienmitglieder“ ausgeübt wurde.[20] Letzten Statistiken für denselben Zeitraum zufolge war bei mehr als 87 Prozent der gemeldeten Fälle Gewalt in der Familie im Spiel.

 

1999 richtete INAMUJER eine landesweite vertrauliche Notrufnummer ein – 0800Mujeres – die kostenlose Beratung für Frauen gibt, die geschlechtsspezifische Gewalt erfahren. Zwischen 1999 und Dezember 2007 gab es unter der Notrufnummer landesweit 29.168 Anrufe, davon 4.484 allein im Jahre 2007.

 

Zeugenaussage

 

„Ich heiratete sehr jung, mit 18 … er fing an Geld zu verdienen und in der Hierarchie der Streitkräfte aufzusteigen. Geld und Macht bedeuteten, dass der physische, verbale und psychische Missbrauch gegen mich schlimmer wurde. Ich war total von meiner Familie isoliert. Ich hatte keine Freunde, weder Männer noch Frauen. Ich hatte kein Leben. Alles, was ich tat, war überleben …

 

Am 4. April 2004 wurde ich geschieden … Wir waren nicht mehr verheiratet. Wir hatten drei Jahre nicht zusammengelebt … Mein Leben war traurig, leer und voller Angst. Ich lebte in Furcht, manipuliert durch Schrecken … Besitz bedeutete mir nichts, ein Auto, ein Haus, nichts war mir wichtig. Tatsächlich waren unsere Güter nicht aufgeteilt worden. Was ich damals wünschte, war getrennt zu sein, mit anderen Worten, ein Papier zu haben wie damals, als wir heirateten, so dass ich ihm sagen konnte, dass er keine Rechte mehr über mich hatte.

 

Ich wurde nicht in Frieden gelassen, er wartete immer auf mich, wo ich auch hinging. Er ging zu dem Haus wo ich arbeitete … ich dachte, es würde so sein, wie wenn andere Paare sich scheiden ließen: Der Vater verbringt die Wochenenden mit den Kindern, die Mutter arbeitet und am folgenden Wochenende ist sie an der Reihe mit den Kindern, das dachte ich damals.

 

Ich konnte mir nie vorstellen, was passieren würde … meine Entführung, meine Vergewaltigung durch sechs, sieben Personen, ich weiß noch nicht einmal, wie viele mich vergewaltigten, weil sie es mehrmals taten, und es gab einen Moment, wo weder meine Seele noch mein Körper es mehr aushielten … sie ließen mich auf dem Teppich im Lastwagen niederknien. Ein Kerl griff mich an den Haaren und drang direkt von hinten in mich ein, und ich bewegte mich nach vorn, und er griff mich an den Haaren und zog mich zurück, und als er fertig war, griff er mich, er griff mich … und tat es in meinen Mund. Mit anderen Worten, alle die ekligen Dinge, die, denke ich, selbst Tiere nicht tun … jede Menge ekliger Dinge, in meinen Mund urinieren, mich sein Urin schlucken machen. Sie bissen mich … sie schlugen mir mit einem Gürtel auf das Gesäß. Meine Knie waren kaputt. Man kann sich körperlich erholen, aber die Narben der Seele heilen nicht. Und was ich ihnen vorhin sagte, die toten Vergewaltigungsopfer fühlen nichts mehr, aber die unter uns, die noch am Leben sind, wir fühlen es weiterhin. Und das ist, wie ich gerade sagte, das ist der Krebs der vergewaltigten Frauen.

 

Ja, [mein früherer Mann] war da, ich sah ihn … [der Richter] sah es als bewiesen an, dass er mit der Entführung und Vergewaltigung in Zusammenhang stand und ordnete Sicherungsverwahrung an. Er wurde vier Monate lang inhaftiert. Am 22ten April ordnete der Richter seine vorläufige Entlassung an … ohne jegliche Kaution zu verlangen … Es liegt ein Haftbefehl gegen ihn vor …

 

Wenn ich egoistisch als Mensch in eigener Sache spreche, möchte ich die Behörden bitten, ihn zu verhaften. Ich meine, das würde ein Beispiel für andere Frauen sein, Anzeige zu erstatten … gehen wir vor Gericht … meine Eltern haben mir geholfen. Aber es gibt Tausende von Frauen, die arbeiten müssen, um zu essen. Weil sie niemanden haben, der ihnen oder ihren Kindern hilft. Also geben sie ihre Fälle auf. Es sollte Sondergerichte zur Behandlung von Vergewaltigungen geben. In jedem Pfarr- und Stadtbezirk des Landes sollte es einen Psychologen und einen Psychiater geben, die diese Fälle bearbeiten, denn Vergewaltigung ist ein Verbrechen von einem Ausmaß und einer Größenordnung, wie man es sich nicht vorstellen kann …

 

[In den Büros der] Gerichtspsychiater .. gibt es kein Zeichen, das dir sagt ‚rufe so und so an, wenn du Hilfe brauchst’, da gibt es nichts. Und in Venezuela, ich weiß nicht, ob auch in anderen Ländern, kostet ein Psychiater Geld, viel Geld. Also sollte der Staat einen Sozialarbeiter, einen Psychiater, einen Psychologen bezahlen … Über die NGO [Casa de la Mujer] Juana Ramírez ‘La Avanzadora’ und COFAVIC habe ich psychologische Behandlung erhalten. Das war meine Hilfe sowie die NGOs, die … zu allen meinen Bemühungen beigetragen haben.

 

Ich habe Demonstrationen vor dem Büro der Staatsanwaltschaft organisiert. Ich habe Mitteilungen an die Medien geschickt und Pressekonferenzen einberufen. Ich habe an Versammlungen an Universitäten teilgenommen, um ihnen von meinem Fall zu erzählen. Weil ich mich nicht schäme zu sagen, dass ich vergewaltigt wurde und dass ich keine Schuld trage. Und das ist das Erste, was eine vergewaltigte Frau wissen sollte. Dass sie keine Schuld trägt. Niemals! Eine vergewaltigte Frau sollte sich niemals schuldig fühlen. Ich brauchte lange, um das zu verstehen. Es ist nicht mein Fehler, wenn jemand mich benutzt, ich bin nicht schuldig, wenn jemand mich vergewaltigt. Ich bin es nicht. Und deshalb muss ich mich für nichts schämen. Ich fordere dich auf, dass du in deinem Bericht dazu aufrufst, dass dies nicht mehr mit Frauen gemacht wird. Ich möchte nicht, dass meinen Töchtern das Gleiche passiert, und deshalb werde ich nicht schweigen. Ich sage es hier und ich werde es morgen und immer sagen.

 

Eine der Sachen, die mich daran hinderten, eine Anzeige zu machen, war, … dass die Polizei sie nicht aufnehmen wollte. [Sie sagten] es sei ein Problem zwischen Mann und Frau. Nein! Solange wir häusliche Gewalt als eine Angelegenheit zwischen Ehemännern und Ehefrauen betrachten, werden wir nie aus dem Loch herauskommen, in dem wir uns befinden. Gewalt in der Familie ist kein Ehemann-Ehefrau-Problem, es ist ein ernstes Problem, eines, das Familien zerstört, das das Bewusstsein der Kinder kaputt macht. Es ist ein Problem, das nicht über Nacht ausgelöscht werden kann. Es handelt sich um eine Frage der Anerkennung von staatlicher Seite, ein Problem der Gesundheit des Volkes. Es ist ein Problem, das, wenn die Behörden nicht bald reagieren, außer Kontrolle geraten wird, wie gerade jetzt … wir müssen uns zusammentun, damit wir etwas für die kommenden Generationen unternehmen, ich werde mit meinem kleinen Sandkorn dazu beitragen, wann immer es nötig ist.“

Frau C., in einem Interview mit Amnesty International, Venezuela, Juli 2007

 

 

 

KAPITEL 3: DIE WAHRHEIT ÜBER DIE GEWALT IN PARTNER­SCHAFTEN

„An dem Morgen, als wir von der Schule zurückkamen, schlug er mich auf den Kiefer. Ich sagte zu ihm, wenn du mich weiter so schlägst, dann hätte ich es lieber, du tötest mich. Ich lag bäuchlings auf dem Bett, und er nutzte das aus, kletterte auf mich, trat mich mit seinen Schuhen, er trat mich, er schlug mich und, als er sah, dass ich nicht auf das Schlagen reagierte, nicht weinte, nahm er einen Bügel und schlug mich überall am Rücken, an den Beinen, er brach mir die Fersen. Ich hielt mir die Hände über den Kopf, und er schlug mich auf die Hände. Mein ganzer Körper war voller blauer Flecken und geschwollen. Und an dem Tag machte er noch weiter und missbrauchte mich, er sagte: ‚Ich bin dein Mann, du bist meine Frau, du gehörst mir’, und er zog mir die Hosen herunter und missbrauchte mich.“

Frau F., in einem Interview mit Amnesty International, Venezuela, Juli 2007.

Es gibt viele verschiedene Arten von Gewalt gegen Frauen. Im Zusammenhang mit Gewalt in intimen Partnerschaften sind einige Formen von Gewalt jedoch häufiger als andere. Körperliche Gewalt ist am leichtesten zu erkennen, weil sie die am besten sichtbaren Verletzungen hinterlässt. Viele Frauen versuchen die Anzeichen von Gewalt zu verstecken, weil sie sich schämen, dass ihnen dieses passiert, selbst wenn die Verletzungen so ernst sind, dass sie gezwungen sind, medizinische Hilfe zu suchen. Körperliche Misshandlung geht oft mit anderen Formen von Misshandlungen einher und verursacht stets psychische Schäden.

 

„… Er ließ mich regelmäßig auf einen Stuhl sitzen und ‚sprach mit mir’ drei oder vier Stunden lang, ohne aufzuhören, damit ich mal etwas trinken oder auf’s Klo gehen konnte. Die älteren Kinder kannten diese Angewohnheit sehr gut und schlossen sich in ihrem Zimmer ein. … Lange, mich erschöpfende Stunden redete er mir ein, dass diese ganze Situation meine Schuld sei, dass, wenn ich nicht schwanger geworden wäre, ich meine Arbeit nicht verloren hätte und wir keine finanziellen Probleme hätten. Zudem würde ich ihn nicht unterstützen; er fühle nicht, dass ich ihn unterstütze, und das mache es für ihn schwierig, eine Arbeit zu finden. […] Wenn ich es wagte zu widersprechen, begann er mich zu beschimpfen und sagte mir, ich wüsste nicht, was es heiße, eine Frau zu sein, wie man einen Haushalt führe, dass ich nicht wüsste, wie man als Paar zusammen lebe, dass ich ihn nicht respektieren würde und dass ich immer eine Versagerin sein würde; dass er nicht wisse, was aus mir werden sollte, wenn er nicht da sei, um bei mir für Ordnung zu sorgen und mich zu tragen. […] Jedes Wort blieb in meinem Gedächtnis und in meinem Herzen haften.“

Amarillys Corvaia, Amor color de rosa, amor color de sangre, 2005, INAMUJER

Für die meisten Frauen, die Gewalt durch ihren Intimpartner erfahren, gibt es eine enge Verbindung zwischen körperlicher und psychischer Misshandlung. Jedoch gibt es auch einige Frauen, die intensive psychische Gewalt erfahren, ohne körperlich angegriffen zu werden. Obwohl psychische Misshandlung weniger sichtbar und oft schwieriger zu definieren ist, hat und kann sie zerstörerische Konsequenzen haben und wurde im internationalen Recht als eine Form der Gewalt gegen Frauen definiert.[21] Viele der von Amnesty International interviewten Frauen beschreiben die sie lähmende Furcht, die sie zu Gefangenen ihres Peinigers machte. Immer wieder sprachen sie von Isolation und Einsamkeit, wie ihre Moral untergraben wurde und in ihnen ein tiefes Gefühl von Unzulänglichkeit und Versagen zurückblieb. Jahrelange Behandlung solcher Art können kräftezehrend sein und tiefe psychische Schäden verursachen, die nach professioneller Hilfe verlangen, die oft schwer zu erhalten ist.

 

„Sie isolieren dich von deinen Freunden, von deiner Familie, von jedwedem Kontakt, von dem sie annehmen, du könntest ihm mitteilen, was mit dir passiert“.

Frau A., in einem Interview mit Amnesty International, Venezuela, Juli 2007

Viele der Frauen, mit denen Amnesty International sprach, berichteten, dass sie während der Zeit, in der sie misshandelt wurden, von jedem Kontakt oder Unterstützung durch andere abgeschnitten waren. In den meisten Fällen waren Frauen von ihrer Familie, Freunden und der Gesellschaft allgemein isoliert. In extremeren Fällen nahm die Isolation die Form tatsächlicher Gefangenschaft im Hause an.

 

Sowohl für die Überlebenden wie für die Gesellschaft als Ganzes bedeutet die Vergewaltigung in der Ehe oft die schwerste Konfrontation mit häuslicher Gewalt. Doch zeugen die Berichte der Überlebenden von ihrer weiten Verbreitung.

 

„Die Kinder spielten im Hof. Ich wandte mich zur Tür, um aus der Toilette zu gehen, aber er ließ mir keine Zeit dafür. […] Er warf sich auf mich, hielt mich eisern fest, drehte mich herum und warf mich mit unbeschreiblicher Wucht auf den Boden. Erst fiel ich auf die Knie, dann aufs Gesicht, das auf den Boden schlug. Mein Ohr schmerzte sehr. Ich versuchte aufzustehen, aber ich fühlte das schwere Gewicht seines Körpers auf mir. Mit seinen Hände zog er mich unerbittlich an den Haaren und er drückte mein Gesicht fest auf den Boden. […] Ich konnte nicht schreien, weil die Kinder im Haus in der Nähe waren. Sie hätten merken können, was los war. Der Gedanke daran erschreckte mich noch mehr. Ich blieb leise, aber mir liefen die Tränen aus den Augen wie ein überflutender Strom. Mein Weinen verstärkte sich bei seinen Bewegungen in mir. Meine Knie waren aufgekratzt, mein Ohr blutete, mein Nacken schmerzte von seinem kräftigen Ziehen an meinen Haaren. Mein Gesicht wurde vom Druck gegen den Boden aufgescheuert. Mit jeder Bewegung spürte ich einen tiefen körperlichen Schmerz, wie ich ihn nie zuvor gefühlt hatte. […]

 

– ‚Oh bitte!’ – sagte er schlecht gelaunt – ‚Übertreibe nicht! Wie könnte ich eine Frau vergewaltigen, die keine Jungfrau ist, drei Kinder hat und dazu noch mein Partner ist. Das ist keine Vergewaltigung … bring’ mich nicht zum Lachen!’“

Amarillys Corvaia, Amor color de rosa, amor color de sangre, 2005, INAMUJER

Das Gesetz von 2007 bildet einen wichtigen Rahmen, um eines der am tiefsten verwurzelten Missverständnisse über häusliche Gewalt anzugehen: dass sexueller Missbrauch und Vergewaltigung in der Ehe und anderer intimer Beziehungen kein Verbrechen sei. Es liefert eine umfassende Beschreibung dessen, was Vergewaltigung ausmacht, erkennt an, dass die sexuelle Gewalt gegenüber Intimpartnern ein Verbrechen ist, und setzt Strafen für die Verurteilten fest, die als ernstes Abschreckungsmittel dienen sollen.

 

Gewalttätiger Geschlechtsverkehr: Eine Form sexueller Gewalt, wobei der Mann durch Gewalt oder Drohungen seine Frau, seine Lebenspartnerin oder eine Person, mit der er in einer festen Beziehung zusammenlebt, zu einem Geschlechtsakt vaginalen, analen oder oralen Eindringens zwingt, oder Objekte irgendeiner Art in eine dieser Körperöffnungen einführt.

Ley Orgánica, Artikel 15

Wer immer eine Frau durch Gewalt oder Drohungen zu unerwünschtem Geschlechtskontakt zwingt … wird mit Gefängnis bestraft …

 

Wenn der Straftäter der Ehemann, Lebenspartner, Ex-Ehemann, früherer Lebenspartner oder eine Person ist, mit der [das Opfer] gegenwärtig eine emotionale Beziehung hat oder hatte, auch ohne zusammenzuleben, soll die Bestrafung um ein Drittel erhöht werden.

Ley Orgánica, Artikel 42

Eine Vergewaltigung innerhalb der Ehe ist Vergewaltigung. Soziale Einstellungen der Gesellschaft, die danach trachten sie zu entschuldigen, zu billigen oder darüber hinwegzugehen, müssen bekämpft und verändert werden.

 

Konsequenzen häuslicher Gewalt

 

„Was mir wirklich den Mut gegeben hat ihn anzuzeigen, war, was einer meiner Söhne gesagt hat, als er mich aus dem Krankenhaus abholte, in dem ich war. Er sagte zu mir: „Mama, wenn du nichts tust, werde ich etwas tun …“. Oft wird uns Frauen, die wir Opfer sind, gar nicht bewusst, dass wir nicht die einzigen sind, die leiden; unsere Lieben, unsere Familien – mit anderen Worten unsere Kinder – erleiden auch Gewalt. Deshalb sage ich, dass meine Kinder nicht hätten erleiden sollen, was sie erlitten haben

Frau A., in einem Interview mit Amnesty International, Venezuela, Juli 2007

Häusliche Gewalt ist eine der heimtückischsten Arten von Gewalt gegen Frauen. In öffentlichen Debatten über dieses Problem werden die Bedürfnisse der Frauen oft denen der Familie gegenübergestellt. Es wird argumentiert, dass, wenn der Schutz von Frauen die Auflösung der Familie bedeute, dieses ein zu hoher Preis sei. Auf diese Weise werden die Bedürfnisse der Kinder oft benutzt, um Untätigkeit zu rechtfertigen. Diese beliebte Argumentation wurde von vielen der von Amnesty International Interviewten – inklusive der Staatsbeamten – wiederholt vorgebracht. Jedoch weisen alle Tatsachen darauf hin, dass sie völlig falsch ist.

 

Es gibt viele Studien über die Beeinflussung von Kindern durch häusliche Gewalt. Alle Daten weisen darauf hin, dass, selbst wenn Kinder nicht selber das Ziel von Gewalt in der Familie sind, die Folgen für ihre zukünftige Entwicklung schlimm und weitreichend sind.[22]

 

Das Miterleben von Gewalt hat eine negative psychische Auswirkung auf Kinder. Es gibt in vielen Fällen Beweise, dass häusliche Gewalt gegen die übrigen Mitglieder der Familie eskaliert – die Kinder. Dieses Muster gilt für beides, körperliche und sexuelle Gewalt zu Hause. Studien zeigen auch, dass manche Kinder, die Gewalt in der Familie ausgesetzt waren, später selbst Misshandlungen begehen, den Teufelskreis also über die Generationen hinweg fortsetzen.[23]

 

Venezuelas Ley Orgánica zum Schutz von Kindern und Minderjährigen, das im Jahr 2000 in Kraft trat, äußert sich sehr klar zu den Bedingungen, über die alle Kinder in ihrem Zuhause verfügen sollten: „In allen Fällen sollte die Familie eine Atmosphäre der Zuneigung und Sicherheit schaffen, um die vollständige Entwicklung der Kinder und Heranwachsenden zu ermöglichen“.[24] Dies ist nicht der Fall in den Familien, in denen die Frauen häusliche Gewalt erleiden.

 

„Ich war im siebten Monat schwanger … Von da an begann er mich anzuschreien, er schubste mich – ich war schwanger – er schubste mich, zerrte an meinen Kleidern, ich trug ein Umstandskleid“.

Frau B., in einem Interview mit Amnesty International, Venezuela, Juli 2007

Gewalt in der Familie fordert einen enormen gesundheitlichen Tribut von der Frau. Die auf der Liste der Weltgesundheitsorganisation angegebenen gesundheitlichen Probleme im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen beinhalten gynäkologische Probleme, Verletzungen (Schnitte, Brüche, Knochenbrüche) und ein erhöhtes AIDS-Risiko.[25]

 

Mehrere Frauen berichteten Amnesty International, dass sie aufgrund während ihrer Schwangerschaft erlittener körperlicher Misshandlung Fehlgeburten hatten. Im Allgemeinen bedeutet eine Schwangerschaft nicht die Beendigung oder Reduzierung häuslicher Gewalt, ihre Folgen wiegen sogar oft noch schwerer. Neuere Forschungen haben sich auf die Beziehung zwischen Gewalt während der Schwangerschaft und niedrigem Gewicht bei der Geburt, weltweit einem der Hauptgründe für Säuglingssterblichkeit, konzentriert. Obwohl die Studien noch nicht beendet sind, zeigen die Ergebnisse sechs verschiedener Studien aus den USA, Mexiko und Nicaragua, dass Gewalt während der Schwangerschaft zu geringem Geburtsgewicht, Frühgeburten und fötaler Wachstumshemmung beitragen kann.[26]

 

Gewalt gegen Frauen hat auch noch eine weitergehende soziale Auswirkung, indem sie sich auf die Fähigkeit der Frauen, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, hinderlich auswirkt. Die Skala der wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen, den Staat und die Gemeinde zeigen klar, dass es ein öffentliches Problem und nicht eine private Angelegenheit ist. Gewalt in der Familie bedeutet soziale Kosten für die Gesundheitsdienste, die die unmittelbaren Auswirkungen der Gewalt zu behandeln haben, sowie Kosten durch verlorene Arbeitsplätze und Produktivität. Die unmittelbaren Kosten werden größtenteils durch den Staat oder den öffentlichen Sektor getragen – Einrichtungen und Dienste zur Behandlung und Unterstützung der überlebenden Opfer und zur gerichtlichen Verfolgung der Täter. Die oft übersehenen weitergehenden Kosten betreffen die Abwesenheit oder reduzierte Produktivität der Frauen bei der Arbeit wegen Verletzung, Trauma oder Stress. Der Gewalt ausgesetzte Frauen können ihr Einkommen verlieren, während die Arbeitgeber sich nicht nur einer Produktionsminderung gegenübersehen können, sondern auch zusätzliche Kosten durch Abwesenheit wegen Krankheit und durch die Rekrutierung und das Einarbeiten neuer Mitarbeiter tragen müssen. Einige Studien berücksichtigen auch das verminderte Steuereinkommen als Folge von Arbeitsplatzverlust und verminderte Produktivität.[27]

 

Zeugenaussage

 

„ … 14 Jahre konstanter Bedrohungen … ich konnte mich an niemanden wenden, ich hatte keine Familie oder Freunde, die mich unterstützten, ich hatte Angst der Realität ins Auge zu sehen. Dadurch, dass ich wusste, was mit mir geschah, und dass es andere Leute auch wussten, hatte ich das Gefühl ganz unten zu sein … am Ende war die Verzweiflung so groß angesichts von Todesdrohungen gegen mich, Todesdrohungen gegen meine Tochter, Todesdrohungen gegen meine Familie, dass ich mir sagte: ‚Das war es, ich werde diese 14 Jahre hinter mir lassen, ich habe genug!’ …

 

Diese Gewalt begann mit einer kleinen Auseinandersetzung. [Er] versuchte meine Tochter zu schlagen. Das konnte ich nicht akzeptieren und so … hat die Gewalt angefangen, als ich mich weigerte, meine Tochter schlagen zu lassen, es aber bei mir selbst zuließ … und so hat es angefangen … und danach wusste ich nicht, wie ich es stoppen konnte. Jeden Tag war es etwas anderes und jeden Tag wurde es schlimmer. Jetzt war es nicht mehr nur körperliche Misshandlung, sondern auch psychische, er beleidigte mich, er schrie: ‚Du taugst zu nichts!’ … er nahm sich irgendeinen stumpfen Gegenstand und schlug mich, bis ich fast tot war … Die Schläge waren immer sehr schlimm, aber es ging ihnen immer eine Drohung voraus: ‚Wenn du dich wehrst, ist deine Tochter dran!’ und dann wollte ich immer lieber, dass er es mir antat.

 

… Ich begann eine Kampagne ‚Stoppt Gewalt an Frauen’ im Fernsehen zu verfolgen. Nachdem sie einige Sekunden lief, wurde gesagt, dass es Gesetze gibt, die Frauen schützen, und dass es Leute gibt, die einem helfen können. Ich hatte aber das Gefühl, dass das nicht für mich galt. Ich habe mir immer die Telefonnummer aufgeschrieben, aber nie angerufen, weil ich mir sagte, dass es das nicht gibt, fertig aus, und ich behielt sie, versteckte sie und benutzte sie nie. Dann sah ich in dieser Kampagne, dass es schon passieren konnte, aber wenn diese Person, die mich immer angriff, diese Bilder mit mir sah, meinte sie, es habe keinen Sinn, diese Leute würden nicht helfen …

 

Ich hatte immer noch Angst, sehr, sehr große Angst vor dem, was er tun konnte, wenn er das mit der Anzeige herausfand, was er tun würde, ob mich das Gesetz wirklich beschützen würde, ob mich diese Leute die sagten, sie seien auf unserer Seite, wirklich beschützen würden … an diesem Tag hatten wir wieder eine sehr gewaltsame Auseinandersetzung, und sobald ich konnte, floh ich aus dem Haus und versteckte mich im Haus von Nachbarn; sie unterstützen mich und sagten, ich solle ihn anzeigen, erzähle es, wir wissen über deinen Fall Bescheid, du musst ihn nur noch anzeigen und wir werden dich unterstützen. Und es gibt wirklich Menschen, die dir helfen werden. Lass dir helfen!

 

… Ich hatte große Angst, aber ich vertraute ihnen. Sie nahmen mich mit zu einer Frau, die mich in das Frauenhaus mitnahm. Ich war das erste Mal dort und war in Panik, ich hatte Angst davor, Anzeige zu erstatten, und befürchtete, dass mein Partner, wenn er von der Anzeige erfuhr, fähig war mich umzubringen. Ich kehrte um und ging die Stufen wieder hinunter, ich wollte meine Geschichte nicht erzählen. Dann fühlte ich ihre Unterstützung, als sie mir sagten, doch, doch, du kannst das. Es gibt Menschen, die dir helfen werden. Es gibt Frauenhäuser, in denen du sicher sein wirst. Und dann bin ich dorthin gegangen und habe Anzeige erstattet; als sie mich befragt haben, haben sie gesehen, dass ich zu der Zeit nicht geschlagen worden war. Also haben sie mich nur gefragt, warum ich Anzeige erstattete. Ich sagte, dass ich ihn wegen 14 Jahren Gewalt anzeigte und nicht, weil ich im Moment geschlagen würde. Ich zeigte ihn an, weil ich nicht weiter misshandelt werden wollte und weiterhin mit dieser Gewalt gegen mich leben wollte. Und so haben sie den Fall aufgenommen …

 

Ich kam bei dem Schutzhaus an, dem ersten Frauenhaus, und ich hatte große Angst, aber ich habe die Wärme der Menschen mir gegenüber gefühlt, habe gefühlt, dass sie mich wertschätzen und mein Selbstbewusstsein stärken. Wenn man dort ist, hat man keine Angst, weil dort auch andere Frauen sind, man kann diesen Frauenhäusern wirklich vertrauen, denn es sind Häuser, die nur die Opfer kennen, die dort hinkommen, für alle anderen sind sie nur normale Häuser … jeder dort spielt eine wirklich wichtige Rolle. Sie helfen uns dabei, es zu überwinden, dieses Trauma, aus dem du hergekommen bist, denn wenn du ankommst, möchtest du nicht einmal sprechen. Wenn du ankommst, hast du Angst, und es ist schwierig zu sagen, warum du hier bist, den anderen Frauen ins Gesicht zu schauen und zu sagen: ‚Ich bin hier weil …’ Das hat wirklich mein Selbstvertrauen aufgebaut, und deshalb sitze ich hier vor ihnen.

 

… ich hatte meine Anzeige um den 20. März erstattet; der 21. März ist der Geburtstag meiner Tochter. Sie wurde 18, und ich erstattete Anzeige. Und am 19. März war das Gesetz verkündet worden, da wurde es vom Präsidenten bestätigt. Das Gesetz hat mir sehr geholfen … das Gesetz hat mein Zuhause, mein Leben und viele andere Dinge geschützt.

 

… der Fall ging weiter an den Staatsanwalt. Bei der Staatsanwaltschaft wurde der Fall an die Polizei verwiesen, und dort erließen sie eine – wie heißt das noch mal – eine Verfügung, so dass, wenn er mich noch mal angreift oder mich oder meine Familie belästigt, sie gerichtlich gegen ihn vorgehen werden. Zurzeit ist der Fall immer noch bei der Staatsanwaltschaft, man musste nicht gegen ihn vorgehen, weil er mich nicht weiter belästigt hat.

 

… was wir erlebt haben, war kein Spiel, unsere Leben waren die ganze Zeit in Gefahr und der Gerechtigkeit muss genüge getan werden, weil wir es verdienen, wir verdienen es weitermachen zu können. Sie [die Männer] brauchen auch Hilfe, psychologische Hilfe … weil sie auch, seit sie klein waren, in irgendeiner Form unter Gewalt litten, und vielleicht ist das der Grund für die Gewalt, die sie anwenden … Sie müssen zahlen, zahlen für all das, was sie uns angetan haben, für all diese Momente des Leidens, die wir durchlebt haben, und sie verdienen es, bestraft zu werden. Und die Behörden sind dafür verantwortlich, dass das alles verwirklicht wird.“

Frau D, in einem Interview mit Amnesty International, Juli 2007

 

 

Kapitel 4: HÜRDEN, DIE ÜBERWUNDEN WERDEN MÜSSEN

Ich hatte immer noch Angst, sehr, sehr große Angst vor dem, was er tun konnte, wenn er das mit der Anzeige herausfand, was er tun würde, ob mich das Gesetz wirklich beschützen würde, ob mich diese Leute, die sagen, sie seien auf unserer Seite, wirklich beschützen würden …

Frau D, in einem Interview mit Amnesty International, Juli 2007

Häusliche Gewalt ist auch weiterhin ein Verbrechen, das im Verborgenen passiert; es wird nur ein Bruchteil der Fälle zur Anzeige gebracht. Die Gründe, warum die Frauen oft zögern, die Gewalt zur Anzeige zu bringen, sind komplex. Die Kombination aus Angst vor Vergeltung durch den Gewalttäter und der komplette Zusammenbruch des Selbstvertrauens als Resultat des Missbrauches sind Hürden, die viele Frauen davon abhalten, Hilfe und Schutz zu suchen.

 

Die Frauen, die mit Amnesty International gesprochen haben, identifizierten einige Hauptfaktoren, die sie daran gehindert haben, Anzeige zu erstatten:

  • Schutzmaßnahmen, die nicht durchgesetzt wurden oder ineffektiv waren,
  • Unverständnis von offizieller Seite bezüglich der Problematik oder des Vorgehens,
  • die fehlende Privatsphäre und das zusätzliche psychische Trauma bei der Anzeige des Vergehens,
  • das Gefühl, dass über sie Gericht gehalten würde, nicht über den Täter.

 

 

Soziale Hürden

 

„Ich habe auch so lange gebraucht [die Misshandlung anzuzeigen] … zunächst aus kulturellen Gründen, die Art und Weise, wie viele Leute hier in Venezuela erzogen werden. Dass die Ehe für immer ist und dass man keine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit wäscht“.

Frau A, in einem Interview mit Amnesty International, Juli 2007

 

„Ich hatte Angst der Realität ins Auge zu sehen, zu wissen, was mit mir geschah, und dass es andere Leute auch wussten“.

Frau D, in einem Interview mit Amnesty International, Juli 2007

Scham und soziales Stigma bleiben starke Hürden, wenn es darum geht, häusliche Gewalt anzuzeigen. Soziale Einstellung, vorgefasste Vorstellungen über die Rolle der Frau in Beziehungen und in der Familie und über die Art, das Ausmaß und die Ursachen häuslicher Gewalt entmutigen viele Frauen bei dem Versuch, aus gewalttätigen Situationen zu entkommen. Gewalt, die verurteilt werden würde, ginge sie von einem Fremden aus, wird irgendwie als akzeptabler angesehen, wenn der Täter der Frau bekannt ist, wenn er zu ihrem Leben gehört.

 

Viele Frauen finden es sehr schwer eine Anzeige gegen ein Familienmitglied, zu erstatten, gegen jemanden, mit dem sie durch Familienbande und engste Vertrautheit verbunden sind. Extrem abschreckend ist auch die Angst, das Sorgerecht für die Kinder zu verlieren. Fest verwurzelte, geschlechtsspezifische Ungleichheiten bedeuten, dass viele Frauen nicht denselben Zugang zu wirtschaftlichen und sozialen Ressourcen haben, was wiederum heißt, dass es schwierig für sie sein kann, die benötigte Rechtsberatung und Vertretung zu erhalten.[28]

 

Viele Frauen glauben, dass die Ehe für das ganze Leben ist und dass alles, was in den eigenen vier Wänden passiert, privat ist. Das Ausarten einer Beziehung in Gewalt und Missbrauch wird als persönliches Versagen empfunden und einige Frauen sagten Amnesty International, dass sie lange Zeit glaubten, es sei ihre Schuld, dass sie missbraucht wurden. Diese Vorstellung wird von der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit noch unterstützt, beispielsweise durch die Art der Darstellung der Rolle der Frau zuhause im Fernsehen oder durch die Art der Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen in der Presse. In einigen Fällen setzt sie sich aus der Resonanz derselben Institutionen zusammen, die die Frauen eigentlich schützen sollten.

 

 

Polizei, Staatsanwälte und Gerichte

 

Untersuchungen zeigen auch, dass bei der Entscheidung einer Frau, eine Gewalttat anzuzeigen, die Einstellung und das Verhalten von Beamten ein wichtiger Faktor sind. Wenn Frauen aus Erfahrung wissen, dass diejenigen, die ihre Anzeige entgegennehmen, sie beschuldigen werden, ihnen vorhalten, zur Gewalt zu verleiten oder sich so zu verhalten, dass sie Gewalt provozieren, werden sie sich wahrscheinlich nicht mehr an sie wenden, wenn sie Hilfe brauchen, um einer Missbrauchssituation zu entkommen.

„Sachverständige und Justizbeamte aus der Region haben das Problem der geschlechtsspezifischen Diskriminierung vor Gericht wie folgt beschrieben:

Die meisten Repräsentanten der Regierungsbezirke der Region, die NGOs und regionale und länderspezifische Studien stimmen überein…, dass die große Mehrheit der Probleme bei der Durchsetzung von Gesetzen gegen häusliche Gewalt und der Verfolgung der schwersten Fälle auf die patriarchalischen Vorstellungen und Werte der verantwortlichen Behörden zurückzuführen ist: Vorstellungen und Werte – anerkannt oder nicht, bewusst oder nicht – wie zum Beispiel: häusliche Gewalt ist Privatsache; die Familie sollte immer zusammenbleiben; wenn eine Frau misshandelt wird, dann hat sie es herausgefordert, und so weiter.“

Richtiges Verhalten zur Abschaffung von häuslicher Gewalt in Lateinamerika und der Karibik,

Luz Rioseco Ortega[29]

Der offensichtliche Trend zur Erlassung von Gesetzen zur Abschaffung der Diskriminierung und zum Schutz der Grundrechte aller Menschen spiegelt sich in der Justiz nicht wider.“

Zugang zum Justizwesen für weibliche Opfer von Gewalt in Amerika, Interamerikanische Kommission für Menschenrechte, Organisation der Amerikanischen Staaten, Januar 2007, Paragraph 152.[30]

 

Die meisten der Verantwortlichen für Gewalt an Frauen werden nie zur Rechenschaft gezogen. Wie bei allen Menschenrechtsverletzungen ist auch hier die Straflosigkeit ein wichtiger Faktor der dafür sorgt, dass der Missbrauch bestehen bleibt. Man kann die Gewalt in den Familien nicht überwinden, ohne die Vorstellung zu überwinden, dass es eine Privatsache ist, ein Problem mit dem der Einzelne selbst fertig werden muss. Das ist es nicht. Es ist eine Verletzung von Menschenrechten die hinter tausenden von Türen in scheinbar normalen Haushalten begangen wird. Die Regierung und ihre Behörden haben die Aufgabe Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und zu bestrafen, einschließlich der Verletzung des Rechts einer Frau auf ein Leben frei von Gewalt. Diese Aufgabe wird in dem Gesetz von 2007 auch deutlich bestätigt.

 

In Befragungen durch Polizeibeamte und Staatsanwälte werden die Frauen manchmal so behandelt, dass sie vor einer Anzeige zurückschrecken.

 

„Ich habe eine Aussage gemacht. Ich habe drei Tage gebraucht, um eine Aussage im CICPC [Wissenschaftliche, Strafrechtliche und Kriminologische Untersuchungseinheit] zu machen. Und ich kann sagen, dass einiges ziemlich schockierend war. Du musst tausend Mal wiederholen, was dir passiert ist, fünftausend Mal, ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich es wiederholen musste. Ich hatte keine Kontrolle mehr über meinen Schließmuskel, ich konnte selbst nicht mehr zur Toilette gehen, ich musste von einer Beamtin des CICPC begleitet werden. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht mehr, ob ich das Opfer oder die Angeklagte war. Weil ich fühlte, dass ich nichts hatte. Alles erstickte mich, ich fühlte mich überwältigt durch alles, was mir passiert war wie auch durch alle die Fragen, die gleichen Fragen immer wieder und wieder.“

Frau C, in einem Interview mit Amnesty International, Juli 2007

Die Probleme, denen sich die Frauen in Venezuela gegenüber sehen, spiegeln ähnliche Muster wider, die Amnesty International schon bei einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen in mehreren Ländern und verschiedenen Kontexten beobachtet hat.[31] Befragungen, die aufdringlich, wertend und unangebracht sind in einer Umgebung, die man weder als sicher noch als vertrauenswürdig empfindet, Prozesse, die sehr langsam vorankommen und nicht den sofort nötigen Schutz gewähren, Beamte, die nicht dafür ausgebildet sind, mit den Bedürfnissen der Opfer in angemessener Weise umzugehen, oder die die Beschwerden als trivial zurückweisen, und Gesundheitsdienste, die ihre Schlüsselrolle nicht voll wahrnehmen, sowohl die benötigte medizinische Versorgung als auch die Dokumentation der Folgen der Gewalt zu gewährleisten. Wenige Fälle werden angezeigt, in noch weniger Fällen wird angemessen ermittelt und wiederum weniger werden strafrechtlich verfolgt – was das Misstrauen der Opfer nach sich zieht und den Zweifel an der Fähigkeit des Systems, mit der Situation umzugehen.

 

„… weil kein Anwalt da war, konnten sie [die Polizisten] nichts weiter machen. Also ließen sie mich im Krankenhaus. Sie entließen mich gegen 2 Uhr in der Nacht. Ich fragte den Arzt, wo ich hingehen könne, wenn ich kein Geld hätte und keinen Ort, wo ich hingehen könnte. Der Arzt sagte: ‚Es tut mir Leid, aber Sie müssen gehen; Sie können nicht hier bleiben’ … ‚Ich weiß nicht, was Sie tun können’, sagte der Arzt. Weinend verließ ich das Krankenhaus …“

Frau F, in einem Interview mit Amnesty International, Juli 2007

 

Mehrere Studien haben die Gefahren aufgezeigt, die eine Verweisung häuslicher Gewalt an ein Schlichtungsverfahren anstelle einer Behandlung des Verbrechens durch einen normalen Justizprozess mit sich bringt.

 

Schlichtung setzt voraus, dass beide Parteien die Verhandlungen auf der gleichen Ebene beginnen. Diese Gleichheit ist jedoch zwischen einem Opfer häuslicher Gewalt und dem Täter fast nie gegeben, so dass eine Schlichtung nicht nur eine fehlerhafte Herangehensweise, sondern eine Gefahr für das Opfer ist. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hat festgestellt, dass es sich in einer Reihe von Ländern gezeigt habe, dass aufgrund der ungleichen Machtverteilung zwischen Opfer und Angreifer Übereinkommen, die bei Mediation beschlossen werden, ein physisches und emotionales Risiko für die Frauen darstellten. Die Kommission stellte weiterhin fest, dass sich der Angreifer in aller Regel nicht an das Übereinkommen hält, welches zudem die Ursache und die Folgen der Gewalt außer Acht lässt.[32]

 

 

Mangel an Frauenhäusern

 

Es gibt einen Mangel an Frauenhäusern im ganzen Land, so dass viele Frauen nicht die sofortige Unterstützung und den Schutz bekommen, den sie benötigen. Diese Frauenhäuser sind eine wichtige erste sichere Anlaufstelle für Frauen und ihre Kinder, wenn sie aus einer gewalttätigen und missbräuchlichen Situation fliehen. Ihre Bedeutung wird durch das Gesetz von 2007 anerkannt, und die Frauen, die mit Amnesty International sprachen, bestätigten die entscheidende Rolle, die die Frauenhäuser spielen: als Notunterkünfte und als Möglichkeit für die Frauen, ihr Leben wieder neu aufzubauen. Momentan gibt es in ganz Venezuela aber nur zwei Frauenhäuser, die von nationalen Behörden unterhalten werden, und ein weiteres, das der Staat betreibt. Diese werden zwar von den Opfern hoch gelobt, aber es sind eindeutig nicht genug. Das Gesetz von 2007 bestätigt den Bedarf an Frauenhäusern in jedem Bundesstaat von Venezuela, und die Frauenhäuser waren auch eine Priorität in dem vorhergehenden Gesetz von 1999. Trotzdem wurden nirgendwo auch nur annähernd genug Frauenhäuser eröffnet.

 

 

Unterkunft und Arbeit

 

Auf lange Sicht sind Frauenhäuser nur ein Teil der Lösung. Wirtschaftliche Sicherheit, medizinische Versorgung, Unterkunft und Arbeit bleiben wichtige Bedürfnisse nach der kurzen Verschnaufpause, die die Frauenhäuser bieten, wie wichtig diese auch sein mag. Einige Frauen beschrieben gegenüber Amnesty International, dass sie zögerten das Frauenhaus zu verlassen, weil sie nirgendwo anders hingehen konnten, außer zurück in die Missbrauchssituation, aus der sie geflohen waren.

 

„In den meisten Ländern … ist häusliche Gewalt einer der Hauptgründe für Obdachlosigkeit bei Frauen und stellt eine ernsthafte Gefahr für die Sicherheit der Frauen und ihres Besitzes dar. Viele Frauen bleiben in gewalttätigen Situationen, weil sie obdachlos würden, wenn sie sich der häuslichen Gewalt widersetzten.“

UN Sonderberichterstatter für Wohnbedingungen als Komponente des Rechtes auf einen angemessenen Lebensstandard, 2003.[33]

Amnesty International wurde von Frauen wiederholt von den Problemen berichtet, denen sie sich gegenübersahen, als sie ihren misshandelnden Partner verlassen wollten, von dem sie finanziell abhängig geworden waren – oft deshalb, weil er ihnen verboten hatte arbeiten zu gehen. Am meisten fürchteten sie die Auswirkungen, die es auf ihre Kinder haben würde. Viele Frauen hatten das Gefühl, keine andere Wahl zu haben als bei dem zu Täter bleiben, insbesondere wenn die Alternative war, obdachlos zu sein und nicht in der Lage, sich selbst und seine Kinder zu unterhalten.

 

Das Gesetz von 2007 befasst sich mit allen wichtigen Problemen, die in diesem Kapitel angesprochen wurden, und stellt ein System vor, wie diese gelöst werden können. Es fordert Frauenhäuser in allen Bundesstaaten und sorgt für Unterstützung für Frauen und deren Familien, die aus Missbrauchssituationen fliehen (siehe Kapitel 5). Mit einem beständigen Engagementzur Umsetzung seitens der Behörden könnte das Gesetz von 2007 ein großer Schritt beim Schutz von Frauen vor Gewalt in Venezuela sein.

  • Der Staat wird öffentliche Strategien entwickeln, die arbeitslose Frauen, die Opfer von Gewalt sind, je nach physischer und psychischer Verfassung, in Programmen, so genannten Missionen und Ausbildungsprojekten unterzubringen. Wenn das Opfer eine offiziell anerkannte Behinderung hat, die sie daran hindert einen Einstieg ins Berufsleben zu finden, wird es spezielle Unterstützung erhalten, um in den Arbeitsmarkt integriert und weitergebildet zu werden. Um dies zu erreichen, werden Programme, Projekte und Missionen eingerichtet. Der Staat wird Steuerbefreiungen für Firmen, Kooperativen und andere Institutionen einführen, die die Beschäftigung, Integration und Rehabilitation weiblicher Opfer von Gewaltverbrechen in den Arbeits- und Produktionsmarkt unterstützen.
  • Weibliche Opfer von Gewalt haben Priorität beim Zugang zu Hilfe und Unterstützung, der von der öffentlichen, nationalen, staatlichen oder kommunalen Verwaltung bereitgestellt wird.
  • Weibliche Opfer von Gewalt haben Priorität beim Zugang zu Wohnungen, Land, Krediten und technischer Unterstützung, wie sie im Rahmen staatlicher Planungen angeboten werden.

Ley Orgánica, Artikel 4, Kapitel 2

 

Zeugenaussage

 

„Ich war schon zweimal wegen häuslicher Gewalt in Frauenhäusern. Ich bin seit 11, fast 12 Jahren verheiratet … er hat mich in mehreren Fällen misshandelt … und irgendwann konnte ich es nicht mehr hinnehmen, ich stellte fest, dass ich in Gefahr war, weil die Misshandlungen schrecklich waren. Er verließ das Haus und ich nutze die Möglichkeit, um mit den Kindern zu gehen. Ich ging zur Polizei und erstattete Anzeige … sie empfahlen uns in ein Frauenhaus zu gehen, aus demselben Grund, weil die Misshandlungen konstant waren, er misshandelte die Kinder, beschimpfte sie, verfluchte sie … er hielt meinen Mund zu, und zusammen mit meinem Mund hielt er auch meine Nase zu; mehrere Male dachte ich, ich würde sterben, weil er mich ersticken würde, besonders als er mich am Hals packte und zudrückte … Er sagte mir, ich sei zu nichts zu gebrauchen.

 

Ich war in diesem Frauenhaus; sie beschützen mich, sie behandelten mich gut. Sie halfen mir und meinen Kindern psychologisch. Ich blieb dort fast sechs Monate, und als ich ging, wusste ich nicht wohin. Eine Zeit lang ging ich zu meiner Mutter, aber dort kam er auch hin und drohte mir, er drohte mir immer.

 

Es kam eine Zeit, als ich beschloss, zu ihm zurückzugehen und ihm noch eine Chance zu geben, aus Angst und vielen anderen Dingen und aus dem Wunsch nach Veränderung, dass er sich verändert. Aber alles blieb beim Alten oder wurde sogar noch schlimmer … Die schlechte Behandlung ging genauso weiter, die Drohungen, die Erstickungsversuche, die Stöße und die Schläge in den Magen und so weiter … Ich denke, eine der Arten mich am Hals zu packen oder mich zu packen, um mich zu ersticken, war eine Art mich zu foltern, da es keine Spuren hinterließ. Ich sprach mit einer Freundin,… die auch in einem Frauenhaus gewesen war, und ich sagte ihr, dass ich es nicht mehr aushielt, dass ich es nicht mehr ertragen konnte, und sie rief nochmals 0800Mujeres an. Sie fragten, ob ich zurück ins Frauenhaus gehen wollte, und ich sagte ja. Ich ging zurück zu ihnen wegen derselben schlechten Behandlung. Sie haben die psychologische Betreuung fortgesetzt und ich war fast sieben Monate dort.

 

Sie haben mir und meinen Kindern geholfen. Ich bin froh, dass es solche Häuser gibt. Aber ich glaube auch, dass wir vor Misshandlungen geschützt werden sollten, wenn wir sie verlassen. Das Gesetz sollte mehr sein als nur Worte, es sollte in die Praxis umgesetzt werden, zu 100 Prozent, so dass wir Sicherheit haben. Dass, wenn wir hier weggehen, ohne ein Zuhause, in das wir zurückkehren können, dass wir ein Heim haben, dass wir Hilfe von der Regierung bekommen, so dass wir das alles hinter uns lassen können … Ich habe es satt wegzulaufen, denn ich bin kein, wie man hier in Venezuela sagt, ich bin kein malandro (Gauner) … Ich denke, dass jeder den Männern deutlich machen sollte, dass Frauen nicht nur Tiere sind …

 

… das erste Mal, als er verhaftet wurde, sagte ihm der Richter, dass er sich mir nicht nähern dürfe, aber er kümmerte sich nicht darum. Er kam zu dem Haus, um mich zu suchen, zum Haus meiner Mutter … danach haben sie mich in das Frauenhaus gebracht, um mich zu schützen. Das zweite Mal, als ich in ein Frauenhaus ging, bat ich sie ihn nicht vorzuladen oder ihn vor Gericht zu bringen oder irgendwas, weil es ihn nicht interessieren würde. Was ich wollte, war Schutz für mich und meine Kinder und dass, wenn ich von dort wegging, dass ich irgendwohin konnte … nicht in seine Nähe, weil ich wusste, dass er weiter nach mir suchen würde.

 

Leben ohne Angst würde für mich heißen, dass er sich ändert, aber die Wahrheit ist, das wird nie passieren … Ich bin auf einer Warteliste für Wohnungen und es sind viele andere Frauen auf dieser Liste und sie sagen mir, dass es Frauen gibt, die seit Jahren warten, und dass sie Vorrang haben. Und ich weiß nicht, ob ich so lange warten kann.“

Frau E, in einem Interview mit Amnesty International, Juli 2007

 

 

KAPITEL 5: DIE HÜRDEN ÜBERWINDEN

 

Viele der Maßnahmen, die am dringendsten nötig sind, um die Hürden zu überwinden, die viele Frauen davon abhalten, ein Leben frei von Gewalt zu führen, wurden im Gesetz von 2007 niedergelegt. Deren Umsetzung würde sofortigen Schutz bieten und dem Schmerz und Leid, die hier und jetzt in Häusern im ganzen Land stattfinden, anfangen ein Ende zu setzen.

 

 

Sensibilisieren und sich Vorurteilen stellen

 

Ohne Ausnahme, gaben alle, die von Amnesty International interviewt wurden – Opfer häuslicher Gewalt, Akademiker, Regierungsbeamte, Staatsanwälte, Richter, Polizisten und Frauenorganisationen – an, dass Aufklärung und Schaffung von Bewusstsein der Schlüssel zur Verhütung häuslicher Gewalt sind. Diese Aufklärung muss bei Jungen und Mädchen in einem frühen Alter anfangen. Sie sollte eine fortlaufende Aus- und Weiterbildung für die Fachleute umfassen, die sich der häuslichen Gewalt und den Programmen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit allgemein annehmen.

 

Wenn das Gesetz von 2007 wirklich effektiv sein soll, müssen diejenigen, die für die Umsetzung verantwortlich sind, genau mit seinen Reglungen vertraut sein und verstehen, wie das Gesetz ihnen helfen kann, die Gewalt gegen Frauen zu stoppen. In einigen Fällen beinhaltet das auch Aufmerksamkeit zu schaffen für Gewalt gegen Frauen und einige der fest verwurzelten Überzeugungen in Frage zu stellen, die ansonsten die potentielle Wirksamkeit des neuen Gesetzes bedrohen.

 

 

Information und Aufklärung

 

Viele der Frauen berichteten Amnesty International, dass sie die Anzeigen für die Hotline 0800Mujeres gesehen hatten und dass sie von den Kampagnen gegen Gewalt gegen Frauen gehört hatten. Zudem haben unter anderem das Centro Estudios de la Mujer an der Zentralen Universität von Venezuela und INAMUJER ihre eigenen Broschüren und Poster herausgebracht, um das Problem der Gewalt in den Familien und das neue Gesetz, das sie beenden soll, publik zu machen. Verschiedentlich wurde dies in manchen Gegenden auch von Fernsehsendern und lokalen Radiosendern aufgenommen.

 

Die andauernden Herausforderungen für Venezuela spiegeln sich auch in anderen Ländern der Region wider, die versuchen der Gewalt gegen Frauen den Garaus zu machen und der alteingesessenen diskriminierenden Einstellung gegenüber Frauen in Behörden, unter Richtern, Polizeibeamten und der Gesamtbevölkerung entgegenzuwirken:

 

„In Fällen, in denen häusliche Gewalt Eingang ins Strafrecht gefunden hat, gibt es Widerstand bezüglich der Anwendung dieser Norm, da sie eine Änderung des strafrechtlichen Systems impliziert, welches von der Unschuld des Angeklagten ausgeht und eine umgekehrte Beweisführung der Unschuld des Angeklagten eingefordert werden würde.

 

Der Gebrauch und Missbrauch von Mediation, um die „Familieneinheit“ aufrecht zu erhalten, ohne dabei die Risiken in Betracht zu ziehen, die dies in einer Beziehung mit ungleichen Machtverhältnissen bedeutet, sowie ihre Ineffektivität als Mechanismus, um einen solchen Konflikt zu lösen …

 

Die Gewährung von vorsorglichen oder schützenden Maßnahmen deckt nicht in allen Fällen die Gefahren ab, die durch Unkenntnis der Risiken häuslicher Gewalt und ein Fehlen von Elementen zur Einschätzung dieser Risiken entstehen …

 

Mangelnde Ausbildung aller Beamten, die an der Umsetzung des Gesetzes beteiligt sind…

Mangelnde Organisation und Kooperation zwischen den unterschiedlichen beteiligten Institutionen. In dieser Hinsicht können auch tief verwurzelte Gewohnheiten beobachtet werden, sich nicht mit anderen Bereichen abzustimmen, sondern die eigenen Aufgaben isoliert durchzuführen.

 

Überlastung der Richter und der Spezialeinheiten der Polizei, die in einigen Ländern geschaffen wurden, und als Folge daraus Unzuverlässigkeit und Ineffektivität bei der Bearbeitung von Fällen.“

Economic Commission for Latin American and the Caribbean, Good practice in the eradication of domestic violence in Latin America and the Caribbean, September 2005, p. 29.

Geschlechtliche Stereotypen zu überwinden ist einer der effektivsten Wege häusliche Gewalt zu bekämpfen. Es ist auch eine anspruchsvolle Herausforderung mit weitreichenden Konsequenzen, nicht nur für Menschen, die direkt von häuslicher Gewalt betroffen sind, sondern für die gesamte Gesellschaft. Delegierte von Amnesty International fanden Anzeichen weit verbreiteter vorgefasster Meinungen über die Rolle, die die Frau innerhalb der Familie spielen soll.

 

 

Sammeln von Informationen

 

Verlässliche statistische Informationen sind entscheidend bei der Entwicklung von effektiven Programmen gegen Gewalt gegen Frauen. Mangelnde Daten über Gewalt an Frauen wurden schon vor langem von Regierungen, zwischenstaatlichen Organisationen wie der UNO und NGOs als Problem erkannt. Das Sammeln von Informationen muss verbessert werden, um Maßnahmen besser beurteilen zu können, so dass die effektiven ausgeweitet und die weniger effektiven überarbeitet werden können. In seinen abschließenden Kommentaren im Februar 2006 lobte der UN-Ausschuss zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau Venezuelas Bemühungen, statistische Daten getrennt nach Geschlechtern zu sammeln. Trotzdem drängen die Behörden darauf, ein zentrales System zu schaffen, um Daten über Gewalt gegen Frauen zu sammeln und diese Daten zusammen mit Informationen über die Wirkung der eingeleiteten Maßnahmen in den nächsten Bericht, der im Juni 2008 ansteht, aufzunehmen.[34] (Zusammenfassung der Ergebnisse des Ausschusses siehe Anhang 2)

 

2007 gab es einige Initiativen von Seiten der Behörden, um das Sammeln von Informationen und das Zusammentragen von Statistiken zu verbessern. Amnesty International erfuhr beispielsweise von einem Pilotprojekt von INE, INAMUJER und anderen Organisationen aus dem Bereich Frauen, mit dem ein zentrales Register für Beschwerden eingerichtet werden soll. Den Information zufolge soll das Projekt 2008 beginnen. Amnesty International wurde ebenso darüber informiert, dass INE eine demographische Befragung/ Erhebung vorbereitet, die einen Abschnitt über Gewalt gegen Frauen in der Familie beinhaltet; die Resultate sollten 2008 veröffentlicht werden.

 

Diese Informationen zusammen mit den Daten, die INAMUJER bei der Hotline 0800Mujeres und den Frauenhäusern gesammelt hat, sollten genug statistisches Material liefern, um den Behörden zu helfen, das Problem der häuslichen Gewalt besser zu verstehen und mit ihm umzugehen. Dies sollte auch eine bessere Grundlage bilden, um wirkungsvolle Lösungen zu finden und die benötigen Ressourcen einzuschätzen und mit ihnen zu planen.

 

 

Medizinisches Protokoll

 

Das Gesundheitsministerium hat ein neues medizinisches Protokoll für die Behandlung von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt entworfen. Das Protokoll beinhaltet Richtlinien, wie man Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, identifiziert, einträgt und behandelt. Das Protokoll betont die Wichtigkeit angemessener und stetiger Weiterbildungen für Gesundheitspersonal über den Umgang mit Opfern geschlechtsbezogener Gewalt. Obwohl es zum Zeitpunkt der Niederschrift nicht klar war, ob dieser Entwurf verabschiedet wurde, ist das Protokoll ein wichtiger und möglicherweise sehr nützlicher Fortschritt, der Frauen, die geschlechtsbezogene Gewalt erfahren, helfen kann, die entsprechende Behandlung zu bekommen. Zudem kann es einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass die Behörden ihrer Verpflichtung nachkommen können, den Anzeigen bei Gewaltverbrechen nachzugehen, indem sichergestellt wird, dass die Beweisaufnahme so stattfindet, dass sie eine erfolgreiche Prozessführung gegen die Täter unterstützt und vereinfacht.

 

Das formulierte Ziel des medizinischen Protokolls ist eine Einladung an alle im Gesundheitssektor arbeitenden Personen, ein Bewusstsein zu initiieren und/oder zu fördern, dass zwischenmenschliche Gewalt ein Anliegen der Öffentlichen Gesundheit ist („a través de este producto, se invita a todo el sector salud de la República Bolivariana de Venezuela, a iniciar y/o potenciar un proceso de sensibilización teórica sobre la violencia interpersonal como problema de salud pública…“) [35]

 

 

Frauenhäuser

 

„Als ich das Frauenhaus betrat, kehrte das Leben zu mir zurück. Die Freundlichkeit und Selbstlosigkeit der Leute, die dort arbeiteten, war überwältigend. Die anderen Frauen, die dort lebten, alle Opfer von Gewalt, erwarteten uns. Sie empfingen uns herzlich. Sie halfen uns unsere Taschen aus dem Auto zu holen. In dieser Nacht begriff ich, wer meine wirklichen Kameradinnen, Freundinnen und Schwestern waren. […] In dieser Nacht hatte Belkis T Dienst und sie begrüßte uns sehr herzlich. Sie zeigte mir mein Zimmer. Candelaria gab mir Milch und half mir Sebastiáns Flasche zuzubereiten. Ich fühlte mich so ruhig, die Nacht war so friedlich und still. […] Endlich, nach einer langen Zeit, schlief ich ein, die ganze Nacht durch. Sicher, ohne Angst, ohne Bedrohung, ohne Terror.“

Amarillys Corvaia, Amor color de rosa, amor color de sangre, 2005, INAMUJER

 

Viele der Frauen, die Amnesty International befragte, lebten in einem der beiden Frauenhäuser, die vom Staat betrieben werden, oder hatten zu einem früheren Zeitpunkt dort gelebt. Die überwältigende Mehrzahl der Antworten bei den Frauen bestand aus Anerkennung und Dankbarkeit für den Schutz und die Unterstützung und auch für die Wärme und Freundschaft, die diese Zufluchtsorte ihnen gegeben hatten.

 

 

Frauenhäuser stellen einen wichtigen Schutz in vorderster Linie dar und es ist klar, dass die Frauen, mit denen Amnesty International sprach, die beiden vorhandenen ihren Bedürfnissen entsprechend finden. Diese wichtige Rolle wird auch in dem Gesetz von 2007 anerkannt, das nationale, staatliche und kommunale Behörden dazu auffordert, Frauenhäuser für Frauen einzurichten, die aus gewalttätigen Beziehungen fliehen (Artikel 32). Dennoch ist das löbliche Ziel, in jedem Bundesstaat ein Frauenhaus einzurichten, noch weit von seiner Umsetzung entfernt; zum Zeitpunkt der Niederschrift gibt es lediglich zwei Frauenhäuser im ganzen Land, die vom Staat selbst betrieben werden. Der dringende Bedarf nach mehr lässt sich nicht verleugnen. Die Zusage der Regierung, mehr Frauenhäuser einzurichten, muss nun in geeignete Pläne verwandelt und umgesetzt werden. Das wiederum bedeutet, dass man die entsprechenden Mittel zuteilen und den Aufbau und die Finanzierung von Frauenhäusern mit Priorität behandeln muss.

 

© INAMUJER/Zeichnung Loreana Padrón

Ein Flyer von INAMUJER, der auf das Problem der Gewalt gegen Frauen aufmerksam macht. Der Flyer wurde von Mitarbeitern sozialer Netzwerke, die sich der Prävention von Gewalt gegen Frauen widmen, entworfen und eingesetzt. Dieser Flyer betont das Problem häuslicher Gewalt.

 

 

Adäquate Polizeiarbeit

 

Schutzmaßnahmen durchzusetzen ist wichtig, um Vergeltung oder andauernder Gewalt gegen Frauen, die Anzeige bei häuslicher Gewalt erstatten, vorzubeugen. Es ist zudem ein wichtiger Schritt, um den Frauen Selbstvertrauen zu geben, damit sie an die Öffentlichkeit gehen und Anzeige erstatten, während ihre eigene Sicherheit sowie die ihrer Kinder gewährleistet ist. Personenschutz umzusetzen kann sehr zeitintensiv und anstrengend für die Polizei sein, deshalb wird es zu oft nicht als Priorität behandelt. Einige Frauen äußerten ihre Sorge über die mangelnde Umsetzung des Personenschutzes durch die Behörden.

 

Das Gesetz von 2007 setzt einige Schutzmaßnahmen fest: so darf die Polizei unter bestimmten Umständen den mutmaßlichen Täter zeitweilig aus dem Haus entfernen, wenn man befürchtet, dass sich die Frau dort in unmittelbarer und ernster Gefahr befindet (Artikel 86), vorbehaltlich eines weiteren Gerichtsverfahrens. Das Gesetz sieht auch Annäherungsverbote vor, mit denen dem Täter untersagt wird, sich dem Opfer zu nähern, sowie kurzzeitige Inhaftierung auf Anweisung eines Richters. Obwohl das Gesetz von 2007 die Wichtigkeit solcher Maßnahmen für die Sicherheit der Frauen anerkennt, benötigt die Umsetzung Ressourcen, sowohl bei der Prioritätensetzung als auch bei der Ausbildung der Polizei.

 

Vertreter von Amnesty International besuchten eine Polizeistation in Caracas, eine lokale Polizeistation in der Gegend von Maracay und den zentralen Sitz des CICPC in Caracas. Befragungen von Polizeibeamten, Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt und Rechtsvertretern zeigten, dass bei der Zuteilung von Ressourcen, die es der Polizei ermöglichen angemessen mit den Opfern häuslicher Gewalt umzugehen, immer noch viel zu tun ist. Ressourcen und ein spezielles Budget werden benötigt für Computer und Ablagesysteme, für Raumteiler, um Privatsphäre für Befragungen zu schaffen, für Weiterbildung, um den Beamten das neue Gesetz und geschlechtsspezifische Belange näher zu bringen, und für die Bildung fachübergreifender Teams mit Psychologen und gerichtsmedizinischem Fachpersonal.

 

©FUNDAMUJER

 

Aufruf zur Bewusstseinsförderung von Frauen durch Fundamujer, einer NGO, die sich der Prävention häuslicher Gewalt gegen Frauen widmet. Der Text des Plakates besagt: „Frauen – ertragt keinen Missbrauch durch euren Partner – zeigt ihn an – erbittet Hilfe“

 

 

Staatsanwälte und Gerichte

 

Einige der Staatsanwälte, die mit Amnesty International gesprochen haben, arbeiteten sehr stark an der Umsetzung der neuen Gesetzgebung. Ihrer Aussage nach hat das neue Gesetz den Schutz verstärkt, den sie Frauen bieten können. Besonders begrüßenswert fanden sie, dass das Gesetz die Gewalt gegen Frauen als etwas Öffentliches behandelt und nicht als Privatsache. Das erlaubt ihnen Anklage zu erheben – auch wenn die Frau ihre Anzeige zurückzieht oder eine dritte Partei die Anzeige erstattet – wenn eine öffentliche Straftat begangen wurde. In diesem Fall ist der Staat dafür zuständig Ermittlungen durchzuführen, zu schützen und Recht zu sprechen.

 

Der durch das Gesetz versprochene Schutz wird aber nur langsam in die Tat umgesetzt. 2005 kündigte die Generalstaatsanwaltschaft an, dass 100 Staatsanwaltsbüros, die sich auf geschlechtsspezifische Gewalt spezialisieren, gegründet werden sollten. Obwohl dieses Versprechen 2007 wiederholt wurde, gab es zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokumentes noch keines dieser spezialisierten Staatsanwaltsbüros. Ebenso sollten laut Informationen, die Amnesty International erhalten hat, vom Obersten Gerichtshof 24 auf geschlechtsspezifische Gewalt spezialisierte Gerichte eingerichtet werden. Zur Zeit der Dokumenterstellung war aber noch keines dieser spezialisierten Gerichte eingerichtet.

 

Das Gesetz von 2007 trifft Vorkehrungen für die Weiterbildung von Beamten, die Fälle mit geschlechtsspezifischer Gewalt entgegennehmen, in ihnen ermitteln und sie beurteilen, um sicherzustellen, dass sie angemessen reagieren. Amnesty International ist keine Umsetzung eines solchen Planes bekannt, der sicherstellt, dass Staatsanwälte und Richter das Gesetz kennen und es angemessen in die Tat umsetzen. Und doch gaben die Frauen, die mit Amnesty International sprachen, an, dass die Art, wie sie behandelt wurden, als sie ihre Anzeige einreichten, ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung war, ob sie sich in der Lage sahen den Fall weiterzuverfolgen und sich um Gerechtigkeit zu bemühen.

 

 

Unterstützung in der Gesellschaft

 

Seit August 2007 gibt es einige Initiativen, die sicherstellen, dass Frauen, die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt wurden, Vorrang bei dem Zugang zu sozialen Leistungen haben. Eine dieser Initiativen ist die Misión Madres del Barrio[36], die 2006 durch einen Erlass des Präsidenten gegründet wurde.[37] Eines der Ziele der Misión ist es, dass Mütter, die in extremer Armut leben, zwischen 60 und 80 Prozent des Mindestlohns erhalten. Zudem bietet sie Zugang zu verschiedenen Diensten wie medizinischer Versorgung und Ausbildung an und sie vermittelt einigen Frauen kleine Kredite. Obwohl diese Leistungen nicht speziell für Frauen sind, die Opfer häuslicher Gewalt sind, haben diese doch vorrangigen Zugang zu diesem Hilfsprogramm.

 

Trotz der Leistungen des Gesetzes von 2007 und der Hilfe, die von den Misiónes angeboten wird, besteht für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, weiterhin dringender Bedarf an schnellem und angemessenem Zugang zu medizinischer Versorgung, Ausbildung für sie selbst und ihre Kinder, Unterkünfte, Fortbildung und Unterstützung zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt.

 

 

 

KAPITEL 6: ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN

Amnesty International hat festgestellt, dass viel Entschlossenheit und harte Arbeit von Einzelnen und Fachpersonal zu wesentlichen Fortschritten für die venezolanischen Opfer häuslicher Gewalt und deren Zugang zu ihren grundlegenden Rechten geführt hat. Das beinhaltet unter anderem das vom Ley Orgánica von 2007 vorgegebene Rahmenwerk an Rechten für Frauen auf ein Leben frei von Gewalt, das auf das vorhergehende Gesetz von 1999 aufbaut, zwei Frauenhäuser und die Hotline 0800Mujeres.

 

Trotzdem gibt es immer noch große Hürden, die Frauen daran hindern, ihr Recht auf ein Leben frei von Gewalt voll geltend zu machen. Diese beinhalten, wie in Kapitel 5 ausgeführt, mangelndes Bewusstsein und mangelnde Aufklärung über häusliche Gewalt, beschränkten Zugang zu Informationen über Schutz und Rechtsmittel für Opfer, unzureichende Erhebung von Daten, zu wenige Frauenhäuser und eine schlecht ausgestattete Polizei- und Justizinfrastruktur. Dies sind keine neuen Probleme; es gab sie schon vor dem Gesetz von 1999 und sie bestehen bis zum heutigen Tage.

 

Frauen nehmen an einem Workshop zur Prävention von Gewalt gegen Frauen teil, Caracas, 2006. Der Workshop von Fundamujer, war speziell für Frauen mit niedrigem Einkommen entworfen worden.

Das Gesetz von 2007 enthält viele der entscheidenden Elemente zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen, welche auch in internationalen Standards hervorgehoben werden und in Amnesty Internationals 14-Punkte Programm zur Prävention von Gewalt in der Familie zusammengefasst sind.[38] Seine volle Umsetzung würde ohne Zweifel einen Meilenstein bei der Beendigung dieser verbreiteten Menschenrechtsverletzung darstellen.

 

Wiederholt äußerten die Frauen, die mit Amnesty International sprachen, dieselbe Forderung: „das Gesetz existiert – lasst es uns nutzen”. Amnesty International fordert die venezolanischen Behörden auf, die benötigten Mittel zur vollen Umsetzung des Gesetzes von 2007 ohne Verzögerungen zur Verfügung zu stellen. Die Frauen, deren Stimmen das Herz dieses Berichts sind, haben ihre Erfahrungen, Ängste und Hoffnungen couragiert mit uns geteilt. Die venezolanischen Behörden müssen nun politischen Willen und Überzeugung zeigen, um eine entsprechende Antwort zu geben.

 

 

Zeugenaussage

 

„Ich werde, oder besser ich wurde, von meinem Partner missbraucht … Er ist ein sehr eifersüchtiger Mann, und wenn er viel getrunken hatte, dann fand er Gefallen daran, mich zu erniedrigen und zu beleidigen … Jedes Mal wenn er außer Haus ging, sperrte er mich mit seiner 5-jähren Enkelin in einen Raum … er sagte, dass er ein Schloss vor das Zimmer machte, weil er nicht bestohlen werden wollte … Er hat mich mehrere Male geschlagen, mein Gesicht war angeschwollen, mein Oberlippe aufgerissen, mein Kiefer gebrochen …

 

Ich hatte Angst das Haus zu verlassen und ihn anzuzeigen, und außerdem hatte ich keine Schlüssel, ich hatte keine Schlüssel für die Wohnung. Er ließ mich nicht zur Arbeit gehen. Er begann die Anrufe meiner Töchter zu unterbinden. Ich rief sie nicht an und sie riefen mich nicht an und wenn sie anriefen, mussten wir sagen, dass wir nicht zuhause sind, dass wir gerade spazieren gehen wollten oder irgendwohin, damit sie nicht kommen sollten … Ich tat nichts, weil ich Angst hatte wegzugehen und allein in einer Stadt zu sein, in der ich niemanden kannte und nirgendwo hingehen konnte.

 

…schlug er mich ins Gesicht. Ich sagte zu ihm, „wenn du mich weiter so schlägst, ist es besser, wenn du mich gleich umbringst.“ Ich legte mich mit dem Gesicht nach unten auf das Bett und er nutzte es aus, kletterte auf mich und trat mich mit seinen Schuhen, er trat mich und schlug mich und als er sah, dass ich auf die Schläge nicht reagierte, nicht weinte, nahm er einen Schraubenschlüssel und schlug mich am ganzen Rücken, an meinen Beinen, er brach meine Fersen. Ich hielt meine Hände über den Kopf und er schlug meine Hände. Mein ganzer Körper war zerschrammt und geschwollen … Drei Tage lang konnte ich mein linkes Bein nicht bewegen. Seine Enkelin ließ er nicht zu mir. Er sagte ‚das Kind darf dich so nicht sehen, dass wäre nicht richtig’, obwohl er sie auch schlug und wenn er sie schlug, dann ließ er sie Eis darauf legen, damit sie keine blauen Flecken bekam und man es in der Schule nicht sah.

 

… ich öffnete die Wohnungstür und rannte einige Stockwerke nach unten … in eine Wohnung, bei der die Tür offen stand … ich erklärte alles was mir passierte war und [die Frau und ihre Tochter] sagten … dass es nicht das erste Mal sei. Dann riefen sie die Person an, die für das Gebäude zuständig war und als sie kam, sagte sie mir dasselbe und sagte, dass sie mir helfen könne, indem sie die Tür zur Straße öffnete, so dass ich gehen und ihn anzeigen könne, dass ich vorsichtig sein solle, und wenn ich hier hinausginge solle ich nie wieder zurückkommen. „Heute gibt es jede Menge Hilfe für missbrauchte Frauen“, sagte sie mir. „Gehe zum Büro des Staatsanwalts und zeige ihn an.“

 

… Ich ging hinunter, sie nahm mich im Lift mit, und ich verließ das Gebäude und machte mich auf den Weg, ich rannte barfuss, ungefähr zwei Blocks weit, mit meinen verletzen und gebrochenen Füßen. Ich kam zu einer Polizeistation und erstattete Anzeige … sie brachten mich ins Krankenhaus … Sie entließen mich gegen 2 Uhr in der Nacht. Ich fragte den Arzt, wo ich hingehen könne, wenn ich kein Geld hätte und keinen Ort, wo ich hingehen könnte. Der Arzt sagte: ‚Es tut mir Leid, aber Sie müssen gehen; Sie können nicht hier bleiben’ … Weinend verließ ich das Krankenhaus, und dann redete ich mit dem Wachmann des Krankenhauses, um zu sehen, ob mich die Polizei zum Staatsanwalt fahren könnte … Der Wachmann sagte, dass ich zu dieser Zeit nicht hinaus gehen solle, da es sehr gefährlich sei. Er gab mir einen Stuhl und sagte mir, ich solle mich hinsetzen und warten. Er gab mir einen Kittel, so einen wie ihn die Chirurgen tragen, ich zog ihn an und blieb bis sechs Uhr am Morgen. Er gab mir 2000 Bolivars [für den Bus] … Ich nahm den Bus, der mich zum Büro des Staatsanwalts brachte … sie behandelten mich sehr gut. Ein Sozialarbeiter kam, um mich zu sehen, und gab mir die Nummer für 0800-Mujeres und … 600 Bolivars für die Fahrt … zum Nationalen Institut der Frau und sie waren ganz großartig zu mir.

 

…sie brachten mich zum Frauenhaus des Nationalen Instituts der Frau, dort verbrachte ich drei Monate … ich erhielt viel Hilfe von den Helfern und der Koordinatorin und sie halfen mir Arbeit zu finden, was sehr wichtig war …

 

… eineinhalb Monate nachdem ich meine Anzeige erstattet hatte, arrangierte der Staatsanwalt ein Treffen mit ihm … er bat mich ihn nicht ins Gefängnis zu schicken … Falls er wieder ins Gefängnis ging, würde es ihm nichts ausmachen, wenn er herauskam, die Person umzubringen, die ihn angezeigt habe … Ich glaube ihm das wirklich. Er sagte, dass er Táchira lebte und dass es dort genügend Orte gäbe, wo man eine Leiche vergraben könnte und es nie jemand merken würde, das sagte er … Ich werde ihn nie wieder sehen. Gott sei Dank habe ich eine Arbeit. Und ich hoffe, dass er nie hier auftaucht. Ich hoffe, er ist glücklich, damit er nie kommt, um mich zu suchen.

 

… das Wichtigste ist, es den Leuten bewusst zu machen, sowohl Männern als auch Frauen, aber man muss mit den Kindern anfangen. Man muss ihnen beibringen nicht gewalttätig zu sein … [wir brauchen] Kurse in den Schulen … an den Arbeitsplätzen … Kurse zu Gewalt, für Frauen, dass wir uns nicht von Gewalt einengen lassen … Als ich aus dem Krankenhaus kam, fragte ich mich, warum würde jemand von einem Ort fliehen, an dem er leben und essen kann, auch wenn er Schläge aushalten muss, wenn er danach auf der Straße steht und auf der Straße bleibt und nichts tun kann oder betteln muss, nur weil es keinen Ort gibt, wohin man gehen kann? Aber Gott sei Dank gibt es das Nationale Institut der Frau, das vielen Frauen geholfen hat.“

Frau F, in einem Interview mit Amnesty International, Venezuela, Juli 2007

 

 

KAPITEL 7:
AMNESTY INTERNATIONALS EMPFEHLUNGEN AN DIE VENEZOLANISCHEN BEHÖRDEN

Diese Empfehlungen basieren auf dem 14-Punkte Programm von Amnesty International zur Prävention häuslicher Gewalt.

 

  • Häusliche Gewalt verurteilen

Staatliche Beamte und führende Vertreter aus der Politik auf jeder Ebene, nationaler, regionaler und lokaler, sollten häusliche Gewalt öffentlich und durchgängig verurteilen und deren Schwere betonen. Sie sollten anerkennen, dass es sich bei häuslicher Gewalt um eine Menschenrechtsverletzung handelt und somit um ein öffentliches Anliegen und keine Privatsache. Beamte sollten nicht versuchen ihrer Verantwortung bei der Beseitigung von Gewalt gegen Frauen auszuweichen, indem sie Bräuche, Traditionen oder Religion ins Spiel bringen.

 

  • Öffentliches Bewusstsein für häusliche Gewalt schaffen

Möglichst weitreichende Kampagnen in Schulen, Universitäten, Bürgerforen und an Arbeitsplätzen sollten gestartet werden, um das Bewusstsein zu stärken und sich deutlich gegen häusliche Gewalt auszusprechen, um das Stigma von den Opfern zu nehmen und sie zu ermutigen, Rechtsmittel einzulegen. Alle verfügbaren Medien sollten genutzt werden, Presse, Internet, Vorlesungen und Debatten eingeschlossen, und die Kampagnen sollten auch führende Vertreter der Gemeinden, Politiker, Journalisten und die Gesellschaft mit einbeziehen. Jegliche Information sollte einfach zugänglich und auch in den lokalen Sprachen verfügbar sein.

 

  • Das Schulwesen nutzen, um Vorurteile in Frage zu stellen

Es sollen Unterrichtsmaterialien entwickelt und in den Lehrplan aller Stufen des Schulwesens integriert werden, die häuslicher Gewalt vorbeugen und die Vorstellung ablehnen, häusliche Gewalt sei akzeptabel. Lehrer, Dozenten und andere Personen im Bildungsbereich sollen sich bemühen die Vorurteile und Stereotypen zu überwinden, die Frauen und Mädchen in untergeordnete Rollen zwingt und zur häuslichen Gewalt beiträgt.

 

  • Gesetzgebung, die Frauen diskriminiert, abschaffen

Alle Gesetze, einschließlich derer aus dem Straf-, Zivil-, Familien- und Mietrecht, sollen überarbeitet werden, um zu gewährleisten, dass sie mit Menschenrechtsprinzipien übereinstimmen. Alle Gesetze, Regeln oder Prozeduren, die Frauen diskriminieren oder das Fortbestehen einer solchen Diskriminierung ermöglichen, sollen geändert werden, ebenso alle Gesetze, die Gewalt gegen Frauen Vorschub leisten oder sie verlängern. Neue Gesetzgebung soll bei Bedarf mit dem Ziel eingeführt werden, die Gleichheit der Frau zu gewährleisten.

 

  • Anzeigen bei häuslicher Gewalt nachgehen und strafrechtlich verfolgen

Es ist sicherzustellen, dass die Polizei eine sichere und vertrauensvolle Umgebung für Frauen schafft, die häusliche Gewalt anzeigen, dass es eine zwingende Registrierung aller Anzeigen über häusliche Gewalt gibt und dass allen solchen Anzeigen sofort, neutral und effektiv nachgegangen wird. Wenn es genügend zulässige Beweise gibt, sollen die Verdächtigen in Übereinstimmung mit internationalen Standards für gerechte Verfahren und ohne Rückgriff auf die Todesstrafe oder körperliche Bestrafung strafrechtlich verfolgt werden; dabei soll die Strafe der Schwere des Verbrechens angemessen sein. Sollte einer der Fälle nicht weiter verfolgt werden, sollen die Gründe hierfür veröffentlicht werden.

 

  • Hürden abbauen, die die Strafverfolgung bei häuslicher Gewalt verhindern

Es soll untersucht werden, warum die Quoten für Anzeigen, Strafverfolgung und Verurteilung bei häuslicher Gewalt so niedrig sind, und die Hürden und Mängel, die bei solchen Untersuchungen erkannt werden, sollen in Angriff genommen werden. Verfahrens- und Beweisregeln der Gerichte sollen so reformiert werden, dass sie Frauen nicht entmutigen, ihre Anzeigen aufrecht zu erhalten. Ankläger, Zeugen und andere, die sich während Ermittlungen und Verfahren in Gefahr befinden, sollen vor Einschüchterung, Nötigung und Repressalien geschützt werden. Es soll eine enge Zusammenarbeit zwischen Polizei, Strafverfolgungsbehörden und anderen Behörden und Einrichtungen auf lokaler Ebene geben.

 

  • Obligatorische Fortbildungsmaßnahmen für Beamte zur häuslichen Gewalt durchführen

Obligatorische Weiterbildungsprogramme für Beamte sollen finanziert und umgesetzt werden und sich auf Polizeibeamte, Anwälte, Richter, forensisches und medizinisches Personal, Sozialarbeiter, Immigrationsbeamte und Lehrer erstrecken. Es soll geschult werden, wie man häusliche Gewalt erkennt, die Opfer schützt und Beweise sammelt, sichert, auswertet und präsentiert.

 

  • Angemessene Geldmittel zur Verfügung stellen

Programme, die sich mit häuslicher Gewalt befassen, sollen auf allen Sektoren angemessen finanziert werden, so etwa im Strafrechtssystem, Bildungswesen, sozialen Diensten, Gesundheits- und Mietwesen. Dazu gehört beispielsweise ein Nationaler Aktionsplan, der sicherstellt, dass Unterstützung im ganzen Land gleichermaßen verfügbar und von ähnlicher Qualität ist. Die Geldmittel sollen eine Umsetzung der Gesetzgebung ermöglichen, die Frauen vor häuslicher Gewalt schützt, und die notwendige Unterstützung und Rehabilitationsmaßnahmen für Opfer umfassen.

 

  • Sichere Anlaufstellen für Frauen schaffen, die vor Gewalt fliehen

Ausreichend Frauenhäuser oder andere sichere Zufluchtsorte für Frauen sollen finanziert und aufgebaut werden, die ihre Privatsphäre, ihre Autonomie und ihre Bewegungsfreiheit nicht einschränken. Solche Stätten sollen die physische und psychische Genesung der Frauen unterstützen und ihnen helfen, auf lange Sicht angemessene, sichere Unterkünfte zu finden.

 

  • Unterstützung für Frauen anbieten

Es sollen Leistungen für Opfer häuslicher Gewalt finanziert und bereitgestellt werden, ggf. in Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Zivilgesellschaft, so dass sie Zugang zur Straf- und Zivilgerichtsbarkeit, einschließlich bei Bedarf kostenfreier Rechtsberatung zu Scheidungs-, Sorgerechts- und Erbrechtsfragen haben. Es soll sichergestellt werden, dass sie Zugang zu angemessen finanzierter medizinischer Versorgung und anderer Unterstützung haben, psychologische Beratung eingeschlossen. Diese Dienste sollen sprachlich und kulturell allen Frauen zugänglich sein, die sie benötigen.

 

  • Daten über häusliche Gewalt erheben und veröffentlichen

Es ist zu gewährleisten, dass häusliche Gewalt in offiziellen Berichten und Statistiken vollständig dargestellt wird, dass die Sammlung qualitativer und quantitativer Daten standardisiert und nach Geschlecht und anderen relevanten Faktoren aufgeteilt wird und dass sie verifiziert werden kann. Weiter ist zu gewährleisten, dass alle relevanten staatlichen Stellen Daten und Statistiken über häusliche Gewalt sammeln und veröffentlichen, dass sie die Daten untereinander austauschen und dass die Daten von den Verantwortlichen genutzt werden, um effektive Taktiken und Programme zu entwerfen, mit der häuslichen Gewalt umzugehen.

 

  • Frauen über ihre Rechte aufklären

Es ist zu gewährleisten, dass Frauen, die Gewalt erleiden, Zugang zu Informationen über ihre Rechte und über Leistungen und Unterstützung haben, die ihnen zustehen. Polizeistationen, Gesundheitseinrichtungen und andere staatliche Behörden sollen verpflichtet sein, Informationen über die Rechte von Opfern, einschließlich der möglichen Schutzmaßnahmen, zu veröffentlichen. Alle betroffenen Behörden sollen Richtlinien und Verfahren entwerfen, umsetzen und überwachen, die jeden Schritt der Reaktion auf Fälle häuslicher Gewalt abdecken und angeben, was zu tun ist, wenn diese Standards nicht eingehalten werden.

 

 

ANHANG 1: Übergangsmaßnahmen des Grundgesetzes über das Recht eines gewaltfreien Lebens für Frauen

Einrichtung von Gerichten für Gewalt gegen Frauen

 

Artikel 123.- Bis die Sondergerichte für Gewalt gegen Frauen eingerichtet worden sind, wird das Oberste Gericht alles Notwendige tun, dass deren Funktionen durch die für den Schutz von Kindern und Jugendlichen verantwortlichen gerichtlichen Gremien und die beaufsichtigenden verantwortlichen Strafgerichte erfüllt werden. Letzteren wird die ausschließliche Verantwortung für Fälle von Gewalt gegen Frauen durch eine Resolution der Justizdirektion übertragen, sobald das Gesetz in Kraft tritt.

 

Was die Einrichtung dieser Sondergerichte anbetrifft, wird das Oberste Gericht alles unternehmen, um ihre Etablierung vor Ort innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes sicherzustellen. Während dieser Zeit werden Richter und Beamte, die mit Gewalt gegen Frauen zu tun haben, wie etwa die Verwaltungsbeamten der Gerichte, Schulungen durch Fachpersonal des Nationalen Instituts der Frau, den Ombudsmann für Frauenrechte, den nationalen Ombudsmann, durch Universitäten, internationale Organisationen, NGOs und weitere in geschlechtsspezifischem Recht ausgebildete Gruppen erhalten.

 

Einrichtung von Pflege- und Behandlungszentren

 

Artikel 124.- Bis die Pflege- und Behandlungszentren für Fälle von Gewalt gegen Frauen eingerichtet worden sind, können Richter von jedwedem öffentlichen oder privaten Gesundheitsdienst erstellte Berichte zur Urteilsfindung in Betracht ziehen.

 

Die Bundesstaaten und Gemeinden werden alles Notwendige unternehmen, um die Schaffung und das Funktionieren der Pflege- und Behandlungszentren innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes sicherzustellen. Während dieser Zeit wird das Personal dieser Zentren ausgebildet.

 

Orte für die Verbüßung der Strafe

 

Artikel 125.- Bis die Orte zur Strafverbüßung der für Gewalt gegen Frauen Verantwortlichen eingerichtet worden sind, wird das zuständige Ministerium Maßnahmen zur Anpassung bestehender Haftzentren ergreifen, um die Rehabilitation der Aggressoren zu erleichtern.

 

Die Errichtung dieser Zentren muss spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen sein. Während dieser Zeit wird die Schulung von Beamten und allen Personen stattfinden, die mit den für unter diesem Gesetz begangene Straftaten Verurteilten zu tun haben.

 

Gremien und Regulierungen

 

Artikel 126.– Innerhalb von nicht mehr als einem Jahr nach Veröffentlichung dieses Gesetzes müssen der Staat, die Bundesstaaten und die Gemeinden zur Verfügung stellen, was notwendig für die Einrichtung und Anpassung von Einrichtungen, Organisationen und Stellen ist, die dafür vorgesehen sind. Innerhalb der gleichen Frist müssen die notwendigen Regelungen zur Umsetzung dieser Bestimmungen in jedem Gerichtsbezirk eingeführt sein.

 

Bereits behandelte Fälle

 

Artikel 127.- In Übereinstimmung mit Artikel 24 der Verfassung der Bolivarianischen Republik von Venezuela sollen die durch dieses Gesetz verfügten Verfahrensbestimmungen vom Augenblick des Inkrafttretens des Gesetzes an angewendet werden, auch in schwebenden Verfahren, ohne das Prinzip der Nichtrückwirkung zu beeinträchtigen oder nur insoweit, als dass sie den Beschuldigten, Angeklagten oder Verurteilten zum Vorteil gereichen.

 

Bereits eingelegte Rechtsmittel, die Prüfung bereits zugelassener Beweismittel sowie Zeiträume oder Fristen, die bereits angelaufen sind, unterliegen den bisherigen Bestimmungen.

 

Haushaltszuweisungen

 

Artikel 128.- Die nationale Regierung wird die notwendigen Mittel für die Arbeit der hier vorgesehenen Organisationen, Stellen und Programme in den jährlichen Haushalten ab dem Jahr, das der Annahme des Gesetzes folgt, bereitstellen.

 

ANHANG 2: Das Komitee zur Abschaffung der Diskriminierung gegen Frauen

Vierunddreißigste Sitzung – CEDAW/C/VEN/CO/6

 

  1. Januar-3. Februar 2006

Abschließende Kommentare des Komitees zur Abschaffung der Diskriminierung gegen Frauen: Bolivarianische Republik Venezuela

 

  1. Das Komitee fordert den Staat auf, sofortige wirkungsvolle Maßnahmen zur Beseitigung aller Hindernisse zu treffen, denen sich Frauen gegenüber sehen können, die Opfer von Gewalt wurden, wenn sie Sicherheitsmaßnahmen gegen Gewalttäter benötigen, und sicherzustellen, dass diese Maßnahmen leicht für sie zugänglich sind.

 

Das Komitee betont die Verpflichtung des Staates, einer umfassenden Umsetzung und Würdigung des Gesetzes zur Gewalt gegen Frauen und die Familie hohe Priorität einzuräumen und dies den Staatsbeamten und der Gesellschaft als ganzer ausführlich zur Kenntnis zu bringen.

 

Das Komitee fordert den Staat auf zu gewährleisten, dass alle Täter, die verantwortlich für Gewalt gegen Frauen sind, verfolgt und angemessen bestraft werden.

 

Das Komitee befürwortet eine Verbesserung des wirksamen Zuganges durch den Staat für Frauen aller Regionen einschließlich indigener Frauen und Frauen afrikanischer Herkunft.

 

Es fordert den Staat auch auf, sicherzustellen, dass Staatsbeamte, insbesondere Polizeikräfte, die Gerichtsbarkeit, Gesundheitsdienste und Sozialarbeiter mit den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen vertraut sind, gegenüber allen Formen von Gewalt gegen Frauen sensibilisiert und für einen angemessenen Umgang mit diesen ausgebildet sind.

 

Das Komitee fordert den Staat dringend zur Einrichtung eines zentralen Systems auf, um Daten über das Ausmaß an Gewalt gegen Frauen zu sammeln, und fordert, diese Daten und Informationen über die Wirkung der vorgenommen Maßnahmen in den nächsten periodischen Rechenschaftsbericht aufzunehmen.

 

  1. Das Komitee verlangt zu den in den vorliegenden abschließenden Kommentaren angesprochenen Angelegenheiten staatlicherseits eine Stellungnahme im nächsten periodischen Rechenschaftsbericht nach Artikel 18 der Konvention, der im Juni 2008 fällig wird.

 

Übersetzt und herausgegeben von:
Amnesty International Venezuela-Koordinationsgruppe
München Dez. 2008
verbindlich ist das englische Original:

‚THE LAW IS THERE, LET’S USE IT’
ENDING DOMESTIC VIOLENCE IN VENEZUELA

Amnesty Index: AMR 053/001/2008
© Copyright Amnesty International Publications 2008

[1] In diesem Bericht wird eine Vielzahl von Begriffen benutzt, um Gewalt gegen Frauen im Zusammenhang mit intimen Beziehungen zu beschreiben. Weitere Details finden Sie unter „Eine Bemerkung zur Terminologie“.

[2] In-depth study on violence against women, des UN Generalsekretärs, Oktober 2006, http://www.un.org/womenwatch/daw/vaw/launch/english/v.a.w-consequenceE-use.pdf, gesehen am 6. Februar 2008.

[3] Boletín En Cifras: Violencia contra las Mujeres 2005, November 2006, AVESA/Centro de Estudios de la Mujer de la UCV/FUNDAMUJER.

[4] Ley Orgánica sobre el Derecho de las Mujeres a una Vida Libre de Violencia.

[5] http://www.pnud.org.ve/index.php?option=com_docman&task=cat_view&gid=77&Itemid=81, gesehen am 21. April 2008.

[6] Humberto Márquez, „Anti-Domestic Violence Campaign Targets Men“, IPS, 21. September 2007.

© Amnesty International

 

Amnesty International startet seine weltweite Kampagne “Gewalt gegen Frauen” in Mexiko im August 2003.

[7] Home Office Statistical Bulletin, Crime in England and Wales 2006/7, Tabelle 3.03, http://www.homeoffice.gov.uk/rds/pdfs07/hosb1107.pdf, zuletzt am 6. Februar 2008 gesehen.

[8] http://www.crimereduction.homeoffice.gov.uk/dv/dv01.htm, zuletzt am 6. Februar gesehen.

[9] http://www.paho.org/English/DD/PIN/pr061121.htm, zuletzt am 20 Februar 2008 gesehen.

[10] http://www.un.org/womenwatch/daw/vaw/launch/english/v.a.w-consequenceE-use.pdf, zuletzt am 6. Februar 2008 gesehen.

[11] B. Ganatra, K. Coyaji. und V. Rao, „Too far, too little, too late: a community-based case control study of maternal mortality in rural west Maharashtra, India”, Bulletin of the World Health Organization, Bd. 76, Nr. 6 (1998), zitiert in In-depth study on all forms of violence against women, Bericht des Generalsekretärs, UN Vollversammlung, 6. Juli 2006.

[12] V. Fauveau et al., „Causes of maternal mortality in rural Bangladesh, 1976-85”, Bulletin of the World-Health Organization, Bd. 66, Nr. 5 (March-April 1988), zitiert in In-depth study on all forms of violence against women, Bericht des Generalsekretärs, UN Vollversammlung, 6. Juli 2006.

[13] K. Asling-Monemi et al., „Violence against women increases the risk of infant and child mortality: a case-referent study from Nicaragua”, Bulletin of the World Health Organization, Bd. 81, Nr. 1 (2003), zitiert in In-depth study on all forms of violence against women, Bericht des Generalsekretärs, UN Vollversammlung, 6. Juli 2006.

[14] Spain: More than words – making protection and justice a reality for women who suffer gender-based violence in the home (Index: EUR 41/005/2005); Albania: Violence against Women in the Family: “It’s not her shame” (Index: EUR 11/002/2006); Belarus: Domestic violence – more than a private scandal (Index: EUR 49/014/2006); Jamaica: Sexual violence against women and girls in Jamaica. “Just a little sex” (Index: AMR 38/002/2006); Nigeria: AI statement for the public hearing on the hearing on the domestic violence and related matters bill (Index: AFR 44/010/2006); Ukraine: Domestic Violence – Blaming the Victim (Index: EUR 50/005/2006); Hungary: Cries unheard – The failure to protect women from rape and sexual violence in the home (Index: EUR 27/002/2007); und Maze of injustice: The failure to protect Indigenous women from sexual violence in the USA (Index. AMR 51/035/2007).

[15] Siehe zum Beispiel Artikel 2 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte.

[16] Siehe zum Beispiel General Comment 31des Menschenrechtsausschusses, des Expertenkomitees, das die Umsetzung der Staaten des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte überwacht. Siehe auch Erklärung über die Beseitigung der Diskriminierung der Frau, General Comment 19.

[17] Statistiken, die der Delegation von Amnesty International im Juli 2007 übergeben wurden.

[18] Humberto Márquez, „Anti-Domestic Violence Campaign Targets Men“, IPS, 21. September 2007.

[19] Statistiken, die der Delegation von Amnesty International im Juli 2007 übergeben wurden.

[20] Siehe http://www.inamujer.gob.ve/index.php?option=com_content&task=view&id=60&Itemid=82, am 25 April 2008 gesehen.

[21] Die UN Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (Artikel 2) und die Konvention von Belém do Pará (Artikel 2) beinhalten psychische Gewalt in ihrer Definition von Gewalt gegen Frauen.

[22] Im Oktober 2007 empfahl das Komitee über die Rechte des Kindes im Absatz 9 seiner abschließenden Beobachtungen zu Venezuela, dass „alle Kinder und/oder Zeugen von Verbrechen, z.B. Kinder, die Opfer von Missbrauch, häuslicher Gewalt […] und Zeugen dieser Verbrechen sind, den von der Konvention geforderten Schutz erhalten, und die UN-Richtlinien über Gerechtigkeit in den Angelegenheiten, die Kinder als Opfer und Zeugen von Verbrechen betreffen (Teil der Resolutionen 2005/20 des Wirtschaftlichen und Sozialen Rats vom 22. Juli 2005) voll wahrgenommen werden).“

[23] In-depth study on all forms of violence against women, Bericht des Generalsekretärs, UN-Vollversammlung, 6. Juli 2006, A/61/122/Zus. 1, Abs. 168-9.

 

[24] „En cualquier caso, la familia debe ofrecer un ambiente de afecto y seguridad, que permita el desarrollo integral de los niños y adolescentes.” Ley Orgánica para la protección del Niño y del Adolescente (LOPNA), Artikel 26, Abs. 2.

[25] In-depth study on all forms of violence against women, Bericht des Generalsekretärs, UN Vollversammlung, 6. Juli 2006, A/61/122/Zus. 1, Abs. 173-7, http://daccessdds.un.org/doc/UNDOC/GEN/N06/419/74/PDF/N0641974.pdf?OpenElement, am 11. Februar 2008 gesehen.

[26] Researching Violence against Women – WHO, PATH 2005 http://www.path.org/files/GBV_rvaw_complete.pdf. Siehe auch Violence against Women, WHO consultation, 1996, http://whqlibdoc.who.int/hq/1996/FRH_WHD.96.27.pdf, am 20 Februar 2008 gesehen.

[27] In-depth study on all forms of violence against women, Bericht des Generalsekretärs, UN Vollversammlung, 6. Juli 2006, A/61/122/Zus. 1, Abs. 173-7, http://daccessdds.un.org/doc/UNDOC/GEN/N06/419/74/PDF/N0641974.pdf?OpenElement, am 11. Februar 2008 gesehen.

[28] http://www.unfpa.org/swp/2005/presskit/factsheets/facts_gender.htm, Stand: 21. April 2008

[29] Interamerikanische Kommission für Menschenrechte zitiert Luz Rioseco Ortega, Berater, Wirtschaftliche Kommission für Lateinamerika und die Karibik, Buenas Prácticas para la Erradicación de la Violencia Doméstica en la Región de América Latina y el. Caribe [Richtiges Verhalten zur Abschaffung häuslicher Gewalt in Lateinamerika und der Karibik], Luz Rioseco Ortega Santiago de Chile, September 2005.

[30] http://www.cidh.org/women/Access07/tocaccess.htm, Stand: 10. Februar 2008.

[31] Siehe z. B. Maze of injustice – The failure to protect Indigenous women from sexual violence in the USA (Index: AMR 51/035/2007).

[32] Zugang zum Justizwesen für weibliche Opfer von Gewalt in Amerika, Interamerikanische Kommission für Menschenrechte, Organisation der Amerikanischen Staaten, Januar 2007, Abs. 161

[33] UN Doc. E/CN.4/2003/55, Abs. 20-34.

[34] Abschließende Kommentare des UN-Ausschusses zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen: Bolivarische Republik Venezuela, 16. Januar – 3. Februar 2006, Abs. 26; http://daccessdds.un.org/doc/UNDOC/GEN/N06/238/44/PDF/N0623844.pdf?OpenElement, Stand: 20.Februar 2008

[35] Entwurf des medizinischen Protokolls – S.8 – Vertretern von Amnesty International im Juli 2007 zur Verfügung gestellt

[36] Siehe „Liste der Begriffe“

[37] Erlass des Präsidenten Nr. 4. 342, 23. März 2006

[38] Weitere Informationen zu Amnesty Internationals 14-Punkte Programm zur Prävention von Gewalt in der Familie (Index: ACT 77/012/2006) finden Sie unter www.amnesty.org/actforwomen.