Urgent Action: NGO-Mitarbeiter willkürlich inhaftiert

Symbolbild Handschellen

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aktualisiert 19. Jan 2021: Sechs Angestellte der Nichtregierungsorganisation Azul Positivo sind am 12. Januar in Maracaibo im venezolanischen Bundesstaat Zulia von Angehörigen der militärischen Spionageabwehr festgenommen worden. Fünf von ihnen wird inzwischen vorgeworfen, Wirtschaftsdelikte begangen und sich “zur Verübung von Straftaten versammelt” zu haben. Miguel Guerra Raydan wurde freigelassen. Die fünf Angeklagten sind allein aufgrund ihrer Menschenrechtsarbeit inhaftiert.

Amnesty fordert:

  • Sorgen Sie bitte für die umgehende Freilassung von Johan León Reyes, Yordy Bermúdez, Layners Gutiérrez Díaz, Alejandro Gómez Di Maggio und Luis Ferrebuz.
  • Beenden Sie bitte unverzüglich die Drangsalierung, Strafverfolgung und Zensur von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für die Rechte aller Venezolaner_innen einsetzen.

Sachlage

Am 12. Januar wurden Johan León Reyes, Yordy Bermúdez, Layners Gutiérrez Díaz, Alejandro Gómez Di Maggio, Miguel Guerra Raydan und Luis Ferrebuz in Maracaibo willkürlich und ohne Haftbefehl von Angehörigen der militärischen Spionageabwehr festgenommen. Miguel Guerra Raydan ist seither wieder frei; alle anderen werden nach wie vor ohne Zugang zu ihren Rechtsbeiständen und Familien festgehalten. Die Männer sind Mitarbeiter der NGO Azul Positivo, einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die sich seit 2004 für Inklusion und die gerechte Behandlung von HIV+-Patient_innen einsetzt. Sie arbeitet zudem zu den Themen sexuell übertragbare Infektionen, Diversität und sexualisierte Gewalt.

Laut Angaben der nichtstaatlichen Menschenrechtskommission von Zulia (CODHEZ) erschienen am 12. Januar um etwa 11.30 Uhr mindestens 15 Angehörige der militärischen Spionageabwehr im Hauptsitz von Azul Positivo im Aventura-Einkaufszentrum in Maracaibo, um vermeintlich Verwaltungsmaßnahmen zu ergreifen, die mit den humanitären Aktivitäten der Organisation im Bundesstaat Zulia zusammenhängen.

Die Direktor_innen und mehrere Angestellte wurden mehr als sechs Stunden lang in ihren Büros festgehalten und zu ihrer humanitären Arbeit befragt. Daraufhin sollen Johan León Reyes, Yordy Bermúdez, Layners Gutiérrez Díaz, Alejandro Gómez Di Maggio und Miguel Guerra Raydan in die Zentrale der militärischen Spionageabwehr gebracht worden sein. Der Zugang zu Rechtsbeiständen wurde ihnen verweigert. Später am selben Tag wurde Luis Ferrebuz, der ebenfalls bei Azul Positivo angestellt ist, bei sich zuhause festgenommen. Miguel Guerra Raydan wurde Berichten zufolge wieder freigelassen.

Seit Anfang Januar 2021 berichten zivilgesellschaftliche Organisationen in Venezuela erneut über ein verschärftes Vorgehen gegen Menschenrechtsverteidiger_innen, hauptsächlich im Bereich der internationalen Zusammenarbeit. Diese jüngsten Repressalien richten sich auch gegen unabhängige Medienkanäle.

Hintergrundinformation

Azul Positivo ist eine zivilgesellschaftliche Organisation, die sich seit 2004 für Inklusion und die gerechte Behandlung von HIV+-Patient_innen einsetzt. Sie arbeitet zudem zu den Themen sexuell übertragbare Infektionen, Diversität und sexualisierte Gewalt. Seit 2006 beteiligt sie sich gemeinsam mit lokalen Gemeinschaften an Projekten in zahlreichen Städten im nordwestlichen Bundesstaat Zulia. Mit ihrem Einsatz hat die Organisation zu der Arbeit einiger staatlicher Gesundheitseinrichtungen beigetragen, wie z. B. der Nationalen Stelle für Medizin und Forensische Wissenschaften (Servicio Nacional de Medicina y Ciencias Forenses), dem regionalen AIDS-Programm und dem Gesundheitsministerium. Zudem arbeitet Azul Positivo mit Agenturen der Vereinten Nationen zusammen, so zum Beispiel mit UNAIDS, UNHCR und UNFPA, um Projekte zu sexueller und reproduktiver Gesundheit an der Grenze zu Kolumbien durchzuführen.

Die Regierung unter Nicolás Maduro fährt eine repressive und auf Schikane, Strafverfolgung und Zensur beruhende Linie gegen Aktivist_innen und zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für die Rechte von Venezolaner_innen einsetzen. In Venezuela herrscht eine komplexe humanitäre und menschenrechtliche Krise, die dazu geführt hat, dass zahllose Venezolaner_innen bereits aus dem Land geflohen sind, um anderswo Schutz zu suchen. Im Dezember 2020 hatten bereits 5,4 Millionen Menschen das Land verlassen.

Ein 2020 veröffentlichter Bericht der unabhängigen internationalen Ermittlungsmission für die Bolivarische Republik Venezuela hat zahlreiche seit 2014 begangene Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, darunter außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen, willkürliche Inhaftierungen sowie Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass dies schwere Menschenrechtsverletzungen sind, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen könnten.