05.12.2022 von PÉREZ, JOHNY
Der venezolanische Staat garantiert in den Gefängnissen des Landes keine Wasser-, Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung, weswegen die Gefangenen sich in einer gefährlichen Situation befinden.
Das Observatorio Venezolano de Prisiones (OVP), die venezolanische Beobachtungsstelle für Gefängnisse, hat festgestellt, dass die Menschenrechtslage der Gefangenen in Venezuela dramatisch ist, da die Bedingungen in den Gefängnissen bei weitem nicht das Recht auf Leben respektieren.
“Die Situation ist entsetzlich, die Menschenrechte von Menschen, die ihrer Freiheit beraubt sind, werden 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr verletzt. Es geht um das Fehlen grundlegender Dinge wie Wasser und Nahrung, aber auch um Unversehrtheit und Menschenwürde”, sagte Carolina Girón, Direktorin der OVP, in einem Interview mit Amnesty International Venezuela.
Girón erklärte, dass die Gefängnisse des Landes keinen Zugang zu Trinkwasser haben, so dass “die Glücklichsten” zusätzlich zu dem, was die Familien der Häftlinge mitbringen können, auf Wassertanks angewiesen sind.
“Im besten Fall gibt es zwei Fünf-Liter-Behälter, und mit diesem Wasser müssen sie sich waschen, Essen zubereiten und Dinge waschen. Dieses Wasser wird von den Verwandten einmal pro Woche oder alle 15 Tage gebracht”, erklärt sie. Sie betont außerdem, dass dies auch für das Recht auf Nahrung gilt.
“Wir wissen nicht, was mit dem Budget für Lebensmittel passiert, wir wissen nicht, welchen Umfang es hat, weil die Budgets seit 2013 nicht mehr veröffentlicht wurden. Wenn die Person kein Familienmitglied hat, das sie mit Essen versorgt, kann sie sich nicht ernähren, weil die Einrichtung diesen Beitrag nicht leistet”, betont sie.
Girón weist auch darauf hin, dass die Angehörigen der Inhaftierten ihnen derzeit keine rohen Lebensmittel bringen können, sondern dass “alles gekocht werden muss und das Essen auf diese Weise zu verderben droht, da es in den Haftanstalten keine Kühlung gibt”.
Darüber hinaus betont die Menschenrechtsverteidigerin, dass sich die meisten Haftanstalten in Gebieten mit hohen Temperaturen befinden und stark überbelegt sind.
Wenn Nahrung zur Verfügung gestellt wird, entspricht sie nicht den Kriterien einer angemessenen Ernährung. “In den Zeiten, in denen die Haftanstalt Essen anbietet, gibt es nur Arepa, Nudeln mit Wasser oder eine Brühe und überhaupt keine Proteinzufuhr”, sagt sie.
Tödliche Unterernährung
In Bezug darauf stellt Girón fest, dass “die Hauptursache für den Tod die Unterernährung ist, ein Zustand, der vor jeder anderen Krankheitsursache kommt”.
In der Folge weist sie darauf hin, dass Tuberkulose eine typische Krankheit in Gefängnissen auf der ganzen Welt ist, ebenso wie in Krankenhäusern, so dass es ein Protokoll für ihre Prävention, Erkennung und Behandlung geben sollte.
“Das gibt es im venezolanischen System nicht, selbst wenn es ein Anti-Tuberkulose-Programm gibt, das in Venezuela ein Staatsmonopol ist, wird die Medikation dafür nicht in Apotheken verkauft. Es ist Aufgabe des Staates, TB zu erkennen und zu behandeln. Diese Krankheit wütet in den venezolanischen Gefängnissen, zum einen aufgrund von Unterernährung, zum anderen, weil sie nicht erkannt und nicht behandelt wird. Außerdem gibt es viele Fälle von Dehydrierung aufgrund von Durchfall und Magen-Darm-Erkrankungen”, betonte sie.
Ebenso weist die OVP darauf hin, dass “es scheint, dass Covid-19 nicht in venezolanischen Gefängnissen angekommen ist”, da der venezolanische Staat keine Informationen zu dieser Angelegenheit geliefert hat.
“Wir wissen inoffiziell, dass es Infektionen gegeben hat, ohne dass wir die Gewissheit eines offiziellen Kommuniqués haben. In Wirklichkeit gab es kein Massenscreening der Bevölkerung; es wurde geimpft, aber wir wissen weder, wie viele Dosen noch welche Impfstoffe verabreicht wurden”, so Girón.
Todesfallzahlen
Von Januar bis Oktober 2022 sind 49 Menschen in den Gefängnissen gestorben, 39 davon im Zusammenhang mit gesundheitlichen Problemen, was 80 % der Gesamtzahl der Todesfälle entspricht.
In den Polizeizellen wurden im gleichen Zeitraum 37 Todesfälle registriert, von denen 12 mit gesundheitlichen Problemen zusammenhingen.
Frauen sind mit einer harten Realität konfrontiert
Frauen, die in Venezuela ihrer Freiheit beraubt werden, sind mit einer Reihe von Verstößen konfrontiert, die eine erschütternde Realität darstellen.
“In Venezuela gibt es nur ein einziges Frauengefängnis, das Instituto Nacional de Orientación Femenina (INOF), die übrigen sind Nebengebäude der Männergefängnisse, die den spezifischen Anforderungen an die Hygiene und die Gesundheit der Frauen nicht gerecht werden. Sie haben weder Damenbinden noch Zugang zu medizinischer Versorgung oder Medikamenten. Wenn die Frau schwanger ist, erhält sie auch keine pränatale oder postnatale Betreuung”, so Girón.
Wenn Frauen entbinden, bleiben die Babys mit ihren Müttern zusammen mit dem Rest der Insassen unter unhygienischen Bedingungen und ohne Privatsphäre für sie und ihre Kinder. Die NRO fordert, dass schwangere Frauen und ihre Kinder, die bis zum Alter von 3 Jahren bei ihnen bleiben, eine angemessene Ernährung erhalten.
“Frauen, die im Gefängnis sind, haben es sehr schwer. Abgesehen davon, dass viele von ihren Familien im Stich gelassen werden, leiden Frauen bei ihrer Inhaftierung unter einem viel größeren Stigma. Meistens sind es die Aufseher*innen, die sich die Mühe machen, ihnen Essen und Hygieneartikel zu bringen”, sagt sie.
“Obwohl die überwiegende Mehrheit des Personals in diesen Nebengebäuden dazu neigt, ihnen zu helfen, haben wir auch Frauentrakte entdeckt, die von Männern geführt werden und männliche Aufseher haben, die sexuelle Gegenleistungen für Essen, Wasser oder einfach nur, um nicht bestraft zu werden, verlangen.
Es gab auch andere Arten von Misshandlungen, von denen eine in diesem Jahr von der OVP angeprangert wurde, als der stellvertretende Direktor des Frauenteils des Gefängnisses von Fénix im Bundesstaat Lara mit einer Schusswaffe Verletzungen verursachte, was zur Entlassung dieser Person führte, “die das Haus mit einer Schusswaffe betrat und auf die Insassinnen schoss“.
Die OVP fordert den venezolanischen Staat auf, die Menschenrechte der gesamten Gefängnisbevölkerung zu garantieren und die Räumlichkeiten so anzupassen, dass die gesundheitlichen Probleme und die Überbelegung reduziert werden. Darüber hinaus fordern sie, dass weibliche Gefangene eine würdigere Behandlung erfahren, indem die Beamt*innen in Fragen zur Beseitigung ge-schlechtsspezifischer Gewalt in den Gefängnissen geschult werden.
Übersetzt von der Kogruppe, verbindlich is das Original in Spanisch.