Venezuela: Neuer Amnesty-Bericht dokumentiert Fortsetzung willkürlicher Inhaftierungen.

vidas detenidas

Am 29.08.2023 wurde der neue Amnesty-Bericht „Vidas detenidas“ über das Fortbestehen politisch motivierter, willkürlicher Inhaftierungen in Venezuela veröffentlicht. Der Bericht dokumentiert anhand von neun Einzelfällen von Personen, die zwischen 2018 und 2022 inhaftiert wurden, wie sich die Repressionspolitik der Regierung Nicolas Maduros gegenüber der venezolanischen Bevölkerung bis heute weiter fortsetzt. Um tatsächliche wie auch nur vermeintliche Regierungsgegner*innen mundtot zu machen und jegliche Kritik an der Regierung zu unterdrücken, bedient diese sich auch immer politisch motivierten Inhaftierungen.

Unter den im Bericht ausführlich dargestellten Einzelschicksalen befinden sich sowohl Lehrer, Gewerkschafter, Soziale Aktivisten, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, die aufgrund ihres gesellschaftlichen Engagements als Bedrohung für die Regierung wahrgenommen wurden, als auch Personen, die lediglich aufgrund ihrer Bekanntschaft oder Verwandtschaft zu anderen Zielpersonen der Unterdrückungspolitik verhaftet wurden. Die Bandbreite der dokumentierten Fälle zeigt, dass nicht nur erklärte Regierungsgegner*innen, sondern auch Personen, die sich vorher nie politisch betätigt haben, jederzeit Opfer von willkürlichen Inhaftierungen und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen werden können.

Beschrieben werden im Bericht die Schicksale von:

Emirlendris Benítez: Die Geschäftsfrau befindet sich seit 2018 in Haft, lediglich weil sie Beifahrerin eines Autos mit zwei anderen Passagieren war, die von der Regierung terroristischer Aktivitäten beschuldigt werden.

María Auxiliadora Delgado und Juan Carlos Marrufo: Das Ehepaar wurde im März 2019 verhaftet, weil einem Verwandten ein geplanter Anschlag auf Präsident Maduro zur Last gelegt wird.

Roland Carreño: Der Journalist und Aktivist war bis zu seiner Verhaftung im Oktober 2020 als Koordinator der Oppositionspartei „Voluntad Popular“ aktiv.
[Roland Carreno ist mittlerweile freigelassen worden, siehe hierzu Pressemitteilung vom 18.10.2023]

Guillermo Zárraga: Der Gewerkschafter arbeitete bei Venezuelas größtem Erdölkonzern und wurde im November 2020 verhaftet, kurz nachdem er in den Sozialen Medien ein Foto mit dem Oppositionsführer Juan Guaidó postete.
[update: siehe hierzu Pressemitteilung vom 23.11.2023, ist am 20.12.2023 freigelassen worden]

Darío Estrada: Der Ingenieur und Autist befindet sich seit Dezember 2020 in Haft, weil ihm die Mitgliedschaft in einer WhatsApp-Gruppe vorgeworfen wird, die angeblich „Pläne gegen die Regierung“ ausarbeiten würde.

Robert Franco: Der Vertreter eines Lehrer*innenkollegiums äußerte mehrfach Kritik an der amtierenden Regierung und wurde deswegen im Dezember 2020 inhaftiert.

Javier Tarazona: Der Menschenrechtsverteidiger und Direktor der Nichtsregierungsorganisation FundaRedes befindet sich seit Juli 2021 in politischer Haft für sein gesellschaftliches Engagement.

Gabriel Blanco: Der Aktivist wurde im Juli 2022 verhaftet und inzwischen zu einer 16-jährigen Haftstrafe verurteilt, weil er sich im Rahmen von Demonstrationen für menschenwürdige Löhne in Venezuela einsetzte. [update: ist am 20.12.2023 freigelassen worden.]

In den von Amnesty untersuchten Fällen zeigen sich verschiedene wiederkehrende Muster, wie etwa dass Verhaftungen ohne Haftbefehl durchgeführt werden und die Angehörigen sowie Rechtsbeistände zunächst über den Verbleib der betroffenen Person im Unklaren gelassen werden, was dem Verbrechen des „Verschwindenlassens“ entspricht. Wiederholt wird das Recht auf einen Rechtsbeistand auch verletzt, ebenso werden Prozesse stark verzögert oder machen überhaupt keinen Fortschritt, wodurch Betroffene über einen grauenvoll langen Zeitraum in Untersuchungshaft verbleiben. Auch Folter und andere unmenschliche Behandlung in Haft wurde durch Amnesty wiederholt festgestellt.

Die von Amnesty dokumentierten Fälle bilden lediglich einen kleinen Ausschnitt aller politischen Gefangenen in Venezuela, deren Zahl von inländischen Organisationen wie Foro Penal und Justicia, Encuentro y Perdón auf rund 300 Personen geschätzt wird. Amnesty fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung der neun genannten Personen sowie aller weiteren Menschen, die aus politischen Gründen in Venezuela inhaftiert sind.